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Reit im Winkl: Posse um Hoteldorf

by Götz A. Primke

Winklmoosalm Steinplatte - ein Luxus-Alpendorfzu Fuessen?Im idyllischen Chiemgau werden Hotels geplant, ohne dass die Grundstücksbesitzer verkaufen wollen. „Alles dubios“ und „ein Haufen Verrückter“ sind noch die harmloseren Kommentare, die die Betroffenen in dem beschaulichen Touristenort Reit im Winkl äußern. Die Gemeinde hingegen will verstärkt die hochklassige Hotellerie in den Ort locken. Was ist passiert?

Die Regierung von Oberbayern teilte Anfang März mit, dass die Coriander Real Estate Erste Beteiligungs GmbH mit Sitz in Seegatterl, Gemeinde Reit im Winkl, Landkreis Traunstein, eine neue Hotelanlage mit Driving Range an der Bundesstraße B 305 errichten will. Dazu sei jetzt ein Raumordnungsverfahren eingeleitet.

Niederländische Investorengruppe
Doch wer steckt hinter der Coriander Real Estate? Das Handelsregister kennt vier Unternehmen mit dem Namen Coriander mit Sitz in Frankfurt. Jedoch kein Unternehmen mit dem Namen in Bayern. Außerdem findet sich die Coriander Property Group mit Sitz im niederländischen Haarlem. Die Unternehmens-Webseite erklärt, dass sich dahinter eine Investorengruppe verbirgt, „die sich auf den Erwerb von Immobilien an strategisch günstigen innerstädtischen und stadtnahen Standorten in den Niederlanden und Deutschland spezialisiert hat“. Außer einer Frankfurter Adresse – ohne Telefonnummer – sind in Deutschland die Orte Northeim und – genau – Reit im Winkl vermerkt.

Briefkastenfirma und voller Anrufbeantworter
Ein Anruf in Northeim ergibt, dass dies lediglich die Telefonnummer der Verwaltung eines Einkaufszentrums in der südniedersächsischen Stadt zwischen Harz und Weser ist. Die Dame am anderen Ende der Leitung erzählt, dass der Besitzer der Coriander Group etwa alle drei Wochen im Hause sei. Die Adresse in Frankfurt sei – nach ihrer Kenntnis – nur eine Briefkastenfirma. In den Niederlanden besitzt die Investorengruppe laut Webseite einige Gewerbeimmobilien. Mehrfache Anrufe unter der dort angegebenen Telefonnummer von Tal Rapoport, dem israelischen Eigentümer und Managing Director Deutschland, ergeben nur, dass der Anrufbeantworter voll sei…

5-Sterne-Luxusresort im Naturschutzgebiet
Was will diese Investorengruppe am Fuße der Winklmoosalm bauen? Dort, wo heute noch ein paar Gasthöfe, Campingplätze und ein großer Parkplatz für das deutsch-österreichische Skigebiet Winklmoosalm / Steinplatte sind, ist offenbar ein 5-Sterne-Luxusresort geplant. Eine Pressemeldung der Regierung von Oberbayern verdeutlicht: ein „Landhausdorf“ mit 53 Landhäusern und insgesamt 432 Betten sei geplant. Zudem beabsichtigt der Projektträger, das benachbarte Hotel „Alpenhof“ zu erwerben und in die Planung mit einzubeziehen. Für Golffreunde soll die Driving Range auf einem Grundstück mit einer Gesamtgröße von rund 33.000 Quadratmetern errichtet werden. Dabei sind ca. 15 -20 nicht überdachte Abschlagsplätze, 15 überdachte Regenabschlagplätze, ein Trainingsgreen, zwei Sandbunker sowie ein Clubhaus mit Parkplatz vorgesehen. Ein sehr ambitioniertes Projekt also.

Geplante 500 Mio. Euro Investment – ohne Einwilligung der Eigentümer
Ein Anruf in der Gemeinde Reit im Winkl ergibt, dass vor Ort zwar das Projekt bekannt sei, aber wohl nicht allzu bald realisiert wird. Für weitere Infos verweist die Mitarbeiterin der Touristen-Info gern an den Inhaber des Geländes, auf dem das Landhausdorf entstehen soll, das man sich wohl so vorstellen kann, wie das TUI-Dorf Fleesensee in Mecklenburg-Vorpommern.
Das Grundstück, um das es hauptsächlich geht, gehört Frank Münster. Der 46-Jährige betreibt die zwei Campingplätze in Seegatterl. Und ja, es stimmt, das Unternehmen Coriander habe 2001 ein benachbartes Gelände gekauft. Allerdings ist dies ein Naturschutzgebiet, ohne gültige Baugenehmigung, ohne alles, einfach nur eine landwirtschaftliche Wiese von etwa 18.000 Quadratmetern. Er habe auch aus den örtlichen Medien gehört, dass diese Investorengesellschaft sein Gelände kaufen wolle und ein Hoteldorf für 500 Mio. Euro errichten wolle. Doch Coriander hat ihn nie gefragt. „Das ist ein Haufen Verrückter, die Häuschen auf meinem Grundstück planen!“, ruft er aus. Und er verdeutlicht: „Ich habe keine Ambitionen mein Grundstück zu verkaufen.“ Damit es die Investoren noch deutlicher verstehen, fügt er an: „Ich als Hauptbetroffener will damit nichts zu tun haben.“ Und dann erzählt Frank Münster sein Erlebnis mit Coriander.

Die Vorgeschichte
Im letzten Sommer erhielt er eine Einladung nach Frankfurt. In München traf er sich mit einem Vertreter von Coriander. Der stand mit Jeans, Turnschuhen, einer Wasserflasche und einem Apfel, aber ohne jegliche Aktentasche oder gar seriöser Business-Kleidung, an der Autobahn, zusammen fuhren die beiden zu einer Frankfurter Rechtsanwaltskanzlei. Dort war auch Tal Rapoport von Coriander und zwei Anwälte. Diese erklärten, man wolle einen Vorvertrag unterzeichnen. Doch Frank Münster, der bis zu diesem Zeitpunkt von nichts wusste, sagte ganz klar, dass er gar nicht daran denke, auch nur irgendeinen Vertrag unterzeichnen zu wollen. Denn schließlich habe Coriander bzw. Tal Rapoport ihn nie gefragt, ob er verkaufen wolle. Er dächte auch nicht daran. Sein Nachbar, der Inhaber des genannten „Alpenhofs“ wolle ebenso wenig verkaufen. Für Frank Münster sind die Leute von Coriander „alle dubios“. Er verweist auf die zurückgehenden Übernachtungszahlen von Reit im Winkl. Und er stellt den Sinn einer Driving Range in Seegatterl in Frage, einem Ort, in dem sechs Monate im Jahr Schnee liegt. Das benachbarte Kössen ist 200 Höhenmeter niedriger und damit deutlich im Vorteil.

Bürgermeister abgewählt
Die Gemeinde Reit im Winkl allerdings „begrüßt grundsätzlich hochklassige Angebote im 4- und 5-Sterne-Sektor“, äußert sich vorsichtig Markus Reichart, der geschäftsleitende Beamte der Gemeinde. Er führt die Geschäfte – denn der bisherige Bürgermeister Fritz Schmuck (Neuen Liste) wurde bei der Kommunalwahl mit 21,11 Prozent abgewählt und ist im Resturlaub, der mit 78,89 Prozent gewählte neue Amtsinhaber Josef Heigenhauser (Freie Wähler/CSU) ist erst ab Anfang Mai im Amt.
Die Regierung von Oberbayern hat den von dem Projekt betroffenen Kommunen, Behörden und Verbänden bis zum 16. April 2008 Zeit gegeben, gegenüber der Regierung Stellung zu nehmen.

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