Wein ist nie nur Geschmack. Er ist Geschichte, Landschaft und Handwerk. Als ich Poggio Casciano zum ersten Mal sah, stand die Sonne tief über den Hügeln, das Licht golden, die Luft warm wie ein Versprechen. Ich war gekommen, um Ruffino zu erleben – eines der traditionsreichsten Weinhäuser der Toskana. Drei Tage lang. Vor Ort, im Gespräch, im Glas. Und mittendrin: ein Stück Italien, das viel mehr erzählt als Etiketten.

Geschichte eines Weinimperiums: Ruffinos Ursprünge
Ruffino wurde 1877 in Pontassieve nahe Florenz gegründet, von den Cousins Ilario und Leopoldo Ruffino – beide mit dem Anspruch, den besten Chianti zu erzeugen. Bereits 1890 wurde Ruffino zum königlichen Hoflieferanten ernannt. Im 20. Jahrhundert übernahm die Familie Folonari, prägte das Haus bis ins neue Jahrtausend und öffnete es früh dem Export. Seit 2011 gehört Ruffino vollständig zu Constellation Brands, einem der größten Wein- und Spirituosenkonzerne der Welt. Trotz internationaler Ausrichtung ist Ruffino fest in der Toskana verwurzelt – geografisch, kulturell und stilistisch.


Poggio Casciano: Ein Zuhause auf Zeit
Unser Ziel: Tenuta Poggio Casciano, ein Anwesen südöstlich von Florenz, nahe Bagno a Ripoli. Die Fahrt dorthin: ein Genuss. Zypressen, Olivenbäume, hügelige Weinfelder. Am Eingang zur Villa wartet ein rustikales Mittagspicknick unter der Loggia: Crostini mit Leberpastete, gereifter Pecorino, Fenchelsalami. Dazu ein Glas Aqua di Venus – Ruffinos frischer, aromatischer Weißwein aus Vermentino, Chardonnay und Trebbiano.

Die Lagen Ruffinos: Vielfalt als Stärke
Ruffino besitzt heute über 600 Hektar Weinberge, verteilt auf acht Weingüter. Sechs davon liegen in der Toskana: u. a. Poggio Casciano (Chianti), Gretole (Chianti Classico), Montemasso (Vino Nobile), Greppone Mazzi (Brunello di Montalcino) und La Solatia (bei Monteriggioni). Zwei Weingüter liegen in Venetien. Die Vielfalt der Böden, Höhenlagen und Mikroklimata erlaubt Ruffino ein außergewöhnlich breites Spektrum an Weinstilen.

Wir erhalten eine Führung durch den grossen und beeindruckenden Weinkeller. Ruffino ist biologisch, nachhaltig und modern ausgerichtet. Entsprechend arbeitet das Weingut präzise, eindeutig standardisiert und allen Trends aufgeschlossen. Hier wird offensichtlich auch mal etwas versucht, auch wenn es dann nicht gelingen sollte – das Weingut kann es sich leisten.






Hier stehen und liegen Edelstahltanks neben Betoneiern und Barrique-Fässern in mehreren Kellerräumen – durchlüftet von den warmen Winden der Toskana.

Ristorante Al 588: Toskana auf dem Teller
Das Menü war ein Höhepunkt toskanischer Kreativität, elegant interpretiert:

Zur Vorspeise ein gedämpftes Ei umhüllt von einer Kartoffel-Haselnuss-Crème, verfeinert mit frischem Trüffel der Saison und einer intensiven Ziegenfonduta.

Danach folgten hausgemachte Cappellacci, gefüllt mit Fasanenfleisch, serviert auf einer Schalottencreme mit Wacholderluft und einer Heidelbeerreduktion aus dem Abetone – eine aromatische Verbindung von Wild und Frucht.

Als Hauptgang: Rücken vom Reh, begleitet von Steinpilzen auf einer seidigen Polenta mit Olivenöl – herbstlich, kräftig, perfekt zur Weinbegleitung.
Zum Hauptgang kam ein großer Moment auf den Tisch: der Alauda 2016 – Ruffinos Ausnahmewein und stilistischer Gegenentwurf zum klassischen Chianti. Der Supertuscan von Ruffino. Eine Cuvée aus 45% Cabernet Franc, 30% Merlot und 25% Colorino und wird 24 Monate im französischen Barrique erster und zweiter Belegung ausgebaut. Er zeigt sich tiefdunkel im Glas, fast undurchsichtig. In der Nase dunkle Waldbeeren, Bitterschokolade. Am Gaumen kraftvoll, konzentriert, mit feinen Tanninen und enormer Länge. Der Alauda ist kein Wein für nebenbei – er fordert Aufmerksamkeit und Zeit. Ein Statement aus Poggio Casciano, das zeigt, wie kompromisslos modern Ruffino heute auch sein kann.


Das Dessert kombinierte eine mürbe Mandelmürbeteig mit Frangipane, Ziegenfrischkäse, sautierten Carmignano-Feigen und deren eingekochtem Most – ein Finale zwischen Süße, Säure und cremiger Finesse.

Süßer Abschluss zum Espresso und Ruffino Amaro.







Chianti Classico: Das Weingut in Gretole
Am nächsten Morgen fahren wir in die sanften Hügel rund um Greve in Chianti. Hoch über dem kleinen Städtchen besitzt Ruffini ebenfalls ein Weingut mit entsprechend schöner Villa. Dies ist das Ruffino-Weingut Gretole, spezialisiert auf Chianti Classico. Die Böden – lehmig, schieferhaltig – verleihen dem Sangiovese Eleganz und Struktur. Hier entstehen u. a. die Trauben für die Riserva Ducale und deren Gran-Selezione-Version Riserva Ducale Oro.

Allein schon das Wohnzimmer – oder vielmehr Kaminzimmer strahlt einen beeindruckenden Wohnstil aus.




Hier lagern einige Schätze, wie unsere Runde am liebsten sofort dekantieren und goutieren möchte. Die Chianti Classico Weine, die hier ausgebaut werden, sind das Wahrzeichen Rufinos. Sie Spielgen die Einzigartigkeit des auf den sanften Hügeln der Chianti Classico Region angebauten Sangiovese wieder.

Doch leider dürfen wir nur anschauen und Fotos machen. Wie wäre es beispielsweise mit einem 1947er Ruffino?

Und die Kisten mit dem verpackten Modus sehen doch eigentlich aus wie für uns bereit gestellt. Doch – leider – mitnichten. Und es ist ja auch erst Vormittag, somit geht es weiter zur Stadtbesichtigung – also, was man hier Stadt nennen kann…

Ruffini arbeitet überall mit modernsten Erkenntnissen der Bewässerungstechnik und nimmt den Gedanken, nachhaltig zu arbeiten, sehr ernst. Es ist beeindruckend, dass ein so grosses Unternehmen, das natürlich neben den edlen Leuchttürmen insbesondere auf dem Massenmarkt viel Geld verdient, so konsequent auf Bio-Weine umstellt.






Und selbstverständlich stehen auch in Gretole die grossen Edelstahltanks. Denn von irgendwo müssen ja die vielen Hektoliter pro Jahr auch herkommen.

Riserva Ducale: Ein Klassiker mit Tiefe
Die Riserva Ducale (seit 1927) ist einer der bekanntesten Chianti weltweit. Ihr Name geht zurück auf den Herzog von Aosta, der Ruffino 1890 als Hoflieferant ernannte.
Der Wein steht für klassische Toskana – rote Beeren, getrocknete Kräuter, feine Gerbstoffe. Die Riserva Ducale Oro stammt aus besten Lagen und besten Jahren, ist komplexer, lagerfähiger, dichter.
Im Jahr 1890 besuchte der Herzog von Aosta Pontassieve, nachdem er von einem verborgenen Schatz im Keller der aufstrebenden Weinkellerei Ruffino erfahren hatte, die sich auf Chianti spezialisierte. Beeindruckt von dem, was er sah, ernannte er Ruffino zum königlichen Lieferanten. 1927 wurde der erste Jahrgang der Riserva Ducale als Hommage an den weinliebenden Herzog von Aosta hergestellt.
Zwei Jahrzehnte später, im Jahr 1947, erinnerte Ruffino an den außergewöhnlichen Jahrgang mit der Markteinführung des ersten Riserva Ducale Oro, der das Konzept des Gran Selezione seiner Zeit voraus hatte. Nur seine historische Bedeutung misst sich mit seinem Potenzial für einen jahrzehntelangen Ausbau.
Chianti Classico: Besuch in Greve










Der historische Marktplatz von Greve: In manchem Geschäft hängt der Himmel voller Würste, selbstverständlich gibt es auch alle anderen Köstlichkeiten der Toskana: Käse, Olivenöl, kleine Enotheken. Und natürlich diese Geschäfte mit buntem Porzellan – oder ist es Steingut? – bei dem ich mich immer frage, ob auch die Einheimischen das daheim benutzen oder ob es nur für die Touristen ist? Das Angebot der Metzgereien ist auf jeden Fall anbetungswürdig. Darauf gehen wir doch gerne ein Glas Messwein trinken…

Ruffino Modus – Moderne Kraft aus der Toskana
Der Modus ist Ruffinos Antwort auf die internationale Weinwelt – und zugleich eine Hommage an das Terroir der Toskana. Erstmals 1997 erzeugt, vereint diese Cuvée Sangiovese, Cabernet Sauvignon und Merlot zu einem ausdrucksstarken, konzentrierten Wein, der Kraft und Eleganz miteinander verbindet. Im Glas zeigt er sich tiefrot, in der Nase dunkle Kirsche, Cassis, Eukalyptus und ein Hauch Tabak. Am Gaumen ist er vollmundig, mit feinen, reifen Tanninen und einem langen, würzigen Nachhall. Modus steht für die neue Generation Ruffino – geprägt vom Know-how des Hauses, aber mit internationalem Format. In besonderen Jahren wird der Modus als Modus Primo vinifiziert – selektiver, strukturierter, mit noch größerem Reifepotenzial.
Der Modus gehört – ebenso wie der Alauda – zu den Supertuscans von Ruffino. Sie entstehen auf dem Weingut in Poggio Casciano. Sanft abfallende Hänge, gemäßigtes Klima, Ton- und skelettreicher Boden sowie ein Weinkeller aus der Renaissance treffen auf modernste Produktions- und Ausbaumethoden. Hier werden internationale Rebsorten mit niedrigem Ertrag angebaut und in Eichen-Barriques ausgebaut. Der Modus zeichnet sich aus durch 39% Sangiovese, 35% Merlot, 26% Cabernet Sauvignon und wird 12 Monate im Barrique erster und zweiter Belegung ausgebaut.

Relais Castel Bigozzi: Lunch mit Jakobsmuschel und Trüffelpasta
Mittagessen im Castel Bigozzi: Das historische Gemäuer liegt ruhig oberhalb von Staggia Senese, umgeben von Pinien und Zypressen. Der Blick schweift über das Val d’Elsa, auf den Tellern toskanische Hausküche. Auch hier: Ruffino. Besonders beeindruckend der Modus Primo – eine Einzellagen-Selektion des Modus, tiefgründig und präzise.




Diese einzigartige Lage, diese grossartigen Weine und diese edlen Produkte, die in den Weinen von Ruffino die perfekten Begleiter finden – genau das macht die Qualität dieses Weingutes aus.





Zusammen mit den Kollegen Nicole Harreisser, Jörg Bornmann und Wolfgang Faßbender geniessen wir ein grossartiges Mittagessen auf diesem Weingut. Jakobsmuscheln, Linguine mit Trüffeln und andere großartige Gänge sind einfach wunderbare Begleiter – aber wer ist hier eigentlich wirklich der Begleiter? Begleitet der Wein das Essen oder das Essen den Wein? Dies ist einfach die perfekte Symbiose.

La Solatia: Weißweine mit mediterraner Seele
Am Nachmittag erreichen wir das Gut La Solatia bei Monteriggioni. Das Mikroklima ist wärmer, die Böden karger. Perfekte Bedingungen für helle, klare Weißweine. Hier entstehen neben dem Aqua di Venus Rosé auch Ruffinos Schaumweine – floral, mineralisch, feinperlig. Der Besuch zeigt: Ruffino kann mehr als Rot.

Ruffino und Bio: Ernsthaftigkeit statt Etikette
Ruffino hat sich verpflichtet, bis 2025 sämtliche eigenen Rebflächen biologisch zu bewirtschaften. Bereits heute sind mehrere Lagen biozertifiziert, andere in Umstellung. Das umfasst Begrünung, Verzicht auf Herbizide, Förderung der Biodiversität. Der Unterschied zu bloßem Öko-Marketing: Es gibt klare Fristen, investive Maßnahmen und transparente Berichte. Nachhaltigkeit ist kein Etikett – sondern Teil eines umfassenden Wandels.

Dinner bei Le Tre Rane
Zurück in Poggio Casciano erwartet uns ein Aperitif im Garten – goldenes Licht über den Reben, ein Glas Rotwein in der Hand. Später Dinner im Ruffino-eigenen Ristorante Le Tre Rane. Auch hier: regionale Küche, saisonal interpretiert.


Oder anders ausgedrückt: Irre grosse Steaks vom Grill: Bistecca Fiorentina! Köstliche Cuts, die wir zuerst noch auf einem Brett roh begutachten dürfen und dann auf den Grill wandern. Begleitet von Klassikern – Riserva Ducale, Romitorio, ein Cuvée aus Cabernet Franc und Colorino.
Bolgheri: Ein neues Kapitel
2023 erwarb Ruffino 15 Hektar Weinberge in Bolgheri, der Heimat großer Supertuscans. Dort entsteht derzeit ein neues Weingut samt Besucherzentrum. Die ersten Weine – z. B. Rosso di Marte – sollen 2025 auf den Markt kommen. Ruffino will damit ein neues, modernes Gesicht der Toskana zeigen – bewusst reduziert, aber nicht beliebig.


Poggio Casciano: Die große Weinprobe
Letzter Tag, letzte Höhepunkte. Nach dem Frühstück geht es in den historischen Weinkeller von Poggio Casciano. Dort verkosten wir:
- Riserva Ducale: Klassisch, präzise.
- Riserva Ducale Oro: Tiefer, dichter.
- Modus & Modus Primo: International, kraftvoll.
- Aqua di Venus: Frisch, floral, designbetont.
- Greppone Mazzi Brunello di Montalcino: Der große Toskaner. Elegant, würzig, mit Potenzial für Jahrzehnte.
Greppone Mazzi: Ein Monument aus Montalcino
Das Weingut Tenuta Greppone Mazzi liegt unweit von Montalcino. Dort entsteht Ruffinos Brunello di Montalcino – reinsortig Sangiovese Grosso, der 36 Monate in großen Eichenfässern lagert. Der Stil: nobel, vielschichtig, würzig. Ein Wein, der nicht gefallen will, sondern beeindruckt. Ausdruck toskanischer Tiefe – in reinster Form.
Es ist ein Brunello di Montalcino im traditionellen Stil, im Bouquet eleganter als viele andere Weine der Region, bei dem die typischen feinen Noten von Sauerkirsche und Tabak besonders betont werden.
The last Lunch in Tuscany





Und dann ist es auch schon Zeit für den Abschied. Doch kein Abschied ohne ein letztes Mittagessen. Und kein Mittagessen ohne Aperitif, selbstverständlich ein Negroni. Bei rustikalen toskanischen Spezialitäten gönnen wir uns nochmal die edlen Tropfen – denn im Flugzeug können wir ja perfekt schlafen.


Fazit: Poolblick mit Perspektive
Bevor wir gehen, ziehe ich die Schuhe aus und halte die Füße ins Wasser des Pools von Poggio Casciano. Die Sonne steht tief. In der Hand: ein letztes Glas Chianti Classico. Es ist still. Und ich weiß: Ruffino ist mehr als ein Weingut. Es ist ein Ort, an dem Geschichte, Weinbau und Zukunftsideen ineinanderfließen – mit Präzision, Konsequenz und Stil.

Disclosure: Wir verbrachten eine kurze, doch unvergesslich schönen Zeit bei Ruffino. Wir danken für die Einladung, ohne die dieser Artikel nicht möglich gewesen wäre. Dennoch bleibt unsere Meinung nicht käuflich. Destinationen, Hotels und Restaurants überzeugen und begeistern mit ihrer Leistung. Dafür nochmals herzlichen Dank!