HeimWerk: Fast Slow Food zwischen Systemgastronomie und Anspruch

by Götz A. Primke
HeimWerk Restaurants

In der deutschen Gastronomie gibt es wenige Marken, die in kurzer Zeit so viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen haben wie HeimWerk. Das Konzept will traditionelle Wirtshausklassiker wie Schnitzel in ein modernes Format übersetzen, das zwischen Systemgastronomie und Qualitätsgastronomie angesiedelt ist. HeimWerk spricht von „Fast Slow Food“, einem Begriff, der gleichermaßen nach Geschwindigkeit wie nach Sorgfalt klingt. Doch wie gut funktioniert dieser Spagat? Und wie nachhaltig ist ein Konzept, das einerseits auf Expansion setzt, andererseits Standorte wieder schließt?

Ein Blick auf die Marke HeimWerk zeigt nicht nur ein Gastronomieprojekt mit klarer kulinarischer Handschrift, sondern auch ein Beispiel dafür, wie schwer sich die Branche derzeit mit Wachstum, Qualitätssicherung und Markenbildung tut.

HeimWerk Restaurants
Dinner mit Graf Keyserlingk: Diverse Schnitzel und Beilagen zum Probieren und Teilen

Das Konzept HeimWerk

Im Kern definiert sich HeimWerk über die Verbindung von klassischer deutscher Küche und modernen Ansprüchen. „Fast Slow Food“ bedeutet hier: Speisen, die schnell verfügbar sind, aber aus regionalen Zutaten und nach handwerklichen Standards zubereitet werden. Anders als klassische Fast-Food-Ketten setzt HeimWerk auf eine reduzierte Speisekarte mit klaren Schwerpunkten.

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Das Herzstück der Küche bilden Schnitzel in verschiedenen Varianten – vom traditionellen Wiener Schnitzel vom Kalb bis hin zu Schnitzeln aus Schwein oder vegetarischen Alternativen. Ergänzt werden diese Klassiker durch Beilagen wie Kartoffelsalat, Gemüse oder Pommes, sowie durch wechselnde saisonale Gerichte. Dazu kommt ein bewusst ausgewähltes Bierangebot, das in den Münchner Restaurants lange von Augustiner geprägt war und inzwischen durch Ayinger ersetzt wurde.

HeimWerk will mehr sein als ein weiterer Player der Systemgastronomie. Das Konzept betont Nachhaltigkeit, regionale Lieferketten und faire Preise für Produzenten. Dieser Anspruch unterscheidet es auf dem Papier von Mitbewerbern wie L’Osteria oder Hans im Glück, die stärker auf Internationalisierung oder Lifestyle-Marketing setzen.

Archibald Graf von Keyserlingk: Der Mann hinter HeimWerk

Die treibende Figur hinter HeimWerk ist Archibald Graf von Keyserlingk. Als Geschäftsführer prägt er die strategische Ausrichtung der Restaurantgruppe. In Interviews betont er regelmäßig den Willen, Systemgastronomie neu zu denken. Qualität und Nachhaltigkeit sollen nicht nur Schlagworte sein, sondern gelebter Bestandteil des Alltags in den Restaurants.

Graf Keyserlingk versteht HeimWerk als Plattform für moderne Wirtshauskultur. Er setzt dabei auf einen klaren Markenkern: Schnitzel als Leitprodukt, ergänzt durch ein überschaubares Angebot, das eine gleichbleibende Qualität in allen Standorten ermöglichen soll. Seine Vision ist es, Gästen die Verlässlichkeit einer Kette zu bieten, ohne dabei auf die Werte des klassischen Handwerks zu verzichten.

Gleichzeitig zeigt sich aber auch, dass Expansion im deutschen Gastronomiemarkt ein schwieriger Prozess ist. Von Keyserlingk selbst hat wiederholt eingeräumt, dass die Umsetzung dieses Anspruchs in jedem Standort aufs Neue eine Herausforderung darstellt.

Expansion und Rückschläge

HeimWerk verfolgt seit seiner Gründung eine Strategie des Wachstums. Neue Standorte sollten die Marke in Berlin, München, Düsseldorf und darüber hinaus etablieren. In der Außendarstellung war stets von Expansionsplänen die Rede, die HeimWerk bundesweit bekannt machen sollten.

Doch nicht alle Schritte waren erfolgreich. Ein Beispiel ist die Filiale in der Friedrichstraße 27 in München-Schwabing, einer der ersten Standorte der Gruppe. Trotz guter Lage musste sie Ende 2023 wieder geschlossen werden. Grund dafür war ein zu hoher neuer Mietvertrag mit der Spaten-Löwenbräu-Brauerei sowie Uneinigkeit über Vertragsinhalte, sagt Graf Keyserlingk. Solche Rückschläge zeigen, dass auch ein durchdachtes Konzept vor den Realitäten des Marktes nicht gefeit ist.

Aktuell sind in München noch zwei Standorte übrig – einer im Tal, der andere im Glockenbachviertel. Letzterer ist jedoch seit einigen Monaten außer Betrieb: Ein massiver Wasserschaden zwingt das Lokal zur monatelangen Schließung. „Das ist eine Katastrophe“, verdeutlicht Graf Keyserlingk.

Der deutsche Gastro-Markt ist stark umkämpft, die Konkurrenz groß. Systemgastronomie-Ketten können sich nur dann durchsetzen, wenn sie eine hohe Frequenz erreichen und gleichzeitig die Qualität auf allen Ebenen sichern. HeimWerk hat den Anspruch, genau diesen Spagat zu meistern, muss aber auch lernen, dass Expansion Geduld und ein feines Gespür für Standortentscheidungen erfordert.

Standorte von HeimWerk

Aktuell betreibt HeimWerk Restaurants in München, Berlin und Düsseldorf. In der bayerischen Landeshauptstadt gehören die Filialen im Tal und im Glockenbachviertel zu den festen Größen. Hier zeigt sich die Verwurzelung in einer Stadt, die traditionell eine starke Wirtshauskultur pflegt. In Düsseldorf wiederum wurde das Konzept nach Oberkassel gebracht, wo ein urbanes Publikum ebenfalls auf moderne Interpretationen klassischer Küche anspricht. In Berlin konnte es kein touristischerer Standort als der Hackesche Markt sein, an dem eh schon eine gefühlte Trillion von Restaurantkonzepten ansässig war und ist – und es ein permanentes Kommen und Gehen der Wirtschaften gibt. Ein Beispiel dafür ist der Beef Bull Club, über den wir hier schon mal berichtet haben.

Die Unterschiede zwischen den Standorten sind überschaubar, was dem Systemgedanken entspricht. Jeder Betrieb soll dieselbe Handschrift tragen und damit die Wiedererkennbarkeit der Marke sichern. Dennoch gibt es regionale Anpassungen, etwa bei der Bierauswahl oder bei saisonalen Gerichten.

Die Standorte dienen HeimWerk nicht nur als gastronomische Betriebe, sondern auch als Schaufenster der Marke. Jeder Gast soll die Botschaft erleben: Hier gibt es vertraute Klassiker, aber in einer modernen, zeitgemäßen Interpretation.

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Wiener Schnitzel vom Kalb

Die Küche im HeimWerk

Das kulinarische Herzstück des Konzepts ist das Schnitzel. Während meiner Verkostung im HeimWerk im Tal in München konnte ich verschiedene Varianten probieren. Das Wiener Schnitzel vom Kalb überzeugte mit einer leichten, fluffigen Panade, wie sie sein soll – goldbraun gebacken, zart im Biss und nicht zu schwer. Andere Varianten wirkten dagegen weniger überzeugend. Gerade bei Größe und Konsistenz der Portionen zeigte sich, dass HeimWerk eher im Systemgastronomie-Segment zu verorten ist als in der klassischen Wirtshausküche.

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Die Portionsgrößen sind bewusst kleiner gehalten, vermutlich um eine klare Kalkulation und ein einheitliches Niveau sicherzustellen. Das mag ökonomisch und ökologisch sinnvoll sein, unterscheidet HeimWerk aber von traditionellen Wirtshäusern, die Gäste oft mit großzügigen Portionen locken.

Denn gerade hier arbeitet HeimWerk mit der Slow Food Organisation zusammen und bietet den Gästen gezielt zwei Portionsgrößen an: „Snack“ und „norMahl“. Das schlägt sich natürlich auch im Preis nieder.

Dabei ist das Menükonzept so aufgebaut, dass der Gast alle Beilagen zusätzlich bestellt – wer hier nicht genau aufpasst, hätte gegebenenfalls in einem benachbarten bayerischen Wirtshaus günstiger gespeist.

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Bergkäseschnitzel vom Kalb

So kostet aktuell bei der Erstellung dieses Artikels im August 2025 beispielsweise das Bergkäseschnitzel vom Kalb wahlweise mit Pommes oder mit Kartoffelsalat 25 Euro, der erste Dip ist kostenlos, jeder weitere Dip kostet 1 EUR Aufschlag.

Beim Bierangebot hat sich in München eine interessante Veränderung ergeben. Lange war Augustiner Partner der Restaurants, doch inzwischen setzt HeimWerk auf Ayinger. Gerade in München ist die Wahl der Brauerei mehr als eine Randnotiz – sie signalisiert Haltung und eine gewisse Positionierung innerhalb der lokalen Gastronomie.

Systemgastronomie oder individuelle Handschrift?

Die zentrale Frage bei HeimWerk lautet: Handelt es sich um Systemgastronomie im klassischen Sinn oder um ein individuelles Konzept mit eigener Handschrift?

Auf den ersten Blick erinnert die klare Struktur der Speisekarte und die Standardisierung der Abläufe an bekannte Ketten. Doch HeimWerk versucht, diesen Eindruck zu durchbrechen, indem es auf regionale Zutaten, Nachhaltigkeit und ein reduziertes, bewusstes Angebot setzt. Statt möglichst vieler Gerichte liegt der Fokus auf wenigen Klassikern, die konsequent durchdekliniert werden.

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Münchner Schnitzel vom Schwein in Meerrettich-Senf-Panade

Damit bewegt sich HeimWerk in einem Spannungsfeld. Einerseits erfüllt es die Kriterien einer Systemgastronomie, andererseits versucht es, den Eindruck von Austauschbarkeit zu vermeiden. Ob dies langfristig gelingt, hängt davon ab, wie konsequent Anspruch und Realität in Einklang gebracht werden.

HeimWerk: Fast Slow Food zwischen Systemgastronomie und Anspruch 1
Chili-Schnitzel vom Schwein

Nachhaltigkeit und Herkunft der Produkte

Ein zentrales Versprechen von HeimWerk ist die Herkunft der Zutaten. Fleisch, Gemüse und andere Produkte sollen möglichst aus regionalen Quellen stammen. Der Anspruch lautet: Transparenz gegenüber den Gästen und faire Preise für die Produzenten.

Gerade in der Gastronomie ist dieses Versprechen jedoch schwer einzuhalten. Lieferketten müssen stabil sein, die Qualität dauerhaft stimmen, und die Preise dürfen den wirtschaftlichen Rahmen nicht sprengen. HeimWerk gibt sich hier ambitioniert, doch wie weit die Umsetzung im Alltag reicht, lässt sich für den Gast oft schwer überprüfen.

Fakt ist: Der Anspruch, regionale Lieferanten einzubeziehen, hebt HeimWerk von vielen anderen Systemgastronomie-Ketten ab. Gleichzeitig ist es auch ein wichtiges Marketinginstrument, das gerade im urbanen Publikum gut ankommt.

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Kaiserschmarrn, klassisch und vegan

Kritische Betrachtung

HeimWerk ist zweifellos ein interessantes Beispiel für moderne Konzeptgastronomie. Es bietet eine klare Positionierung, ein unverwechselbares Leitprodukt und den Versuch, Nachhaltigkeit und Systemgastronomie zu verbinden.

Die Stärken liegen in der Markenbildung, in der Konzentration auf Klassiker wie Schnitzel und in der zeitgemäßen Ansprache eines Publikums, das Qualität sucht, aber zugleich Verlässlichkeit schätzt.

Die Schwächen zeigen sich in den Portionen, der Preisgestaltung, in der manchmal inkonsequenten Umsetzung der Qualitätsansprüche und in den Schwierigkeiten bei der Expansion. Standortschließungen wie in Schwabing sind Indizien dafür, dass das Modell nicht überall aufgeht.

Im Vergleich zu anderen Ketten bleibt HeimWerk eine Marke mit Potenzial, die aber noch beweisen muss, dass sie langfristig bestehen kann.

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HeimWerk München Tal

Fazit

HeimWerk steht für den Versuch, deutsche Wirtshausklassiker in ein modernes, skalierbares Format zu übersetzen. Mit Schnitzel als Kernprodukt, einem klaren Markenauftritt und dem Anspruch auf Nachhaltigkeit positioniert sich die Gruppe zwischen klassischer Systemgastronomie und gehobener Wirtshauskultur.

Die Erfahrungen mit Expansion, Standortschließungen und Anpassungen zeigen, wie schwierig dieser Weg ist. Doch gerade darin liegt auch die Stärke des Projekts: HeimWerk ist ein lebendiges Beispiel dafür, wie sich Gastronomie heute neu erfinden muss.

Nach meiner eigenen Verkostung im HeimWerk im Tal bleibt ein gemischter Eindruck. Das Wiener Schnitzel vom Kalb überzeugte, andere Gerichte weniger. Die Portionsgröße mag kalkulatorisch sinnvoll sein, wirkt aber im direkten Vergleich zu klassischen Wirtshäusern eher knapp. Dennoch zeigt HeimWerk, dass es möglich ist, traditionelle Küche in ein modernes, markenfähiges Format zu überführen – auch wenn der Weg dorthin noch voller Herausforderungen steckt.


Disclosure: Wir verbrachten eine kurzen, doch unvergesslich schönen Abend im HeimWerk im Tal. Dennoch bleibt unsere Meinung nicht käuflich. Destinationen, Hotels und Restaurants überzeugen und begeistern mit ihrer Leistung. Dafür nochmals herzlichen Dank!  

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