Ein kleiner Weiler mitten in München? Kaum zu glauben. Doch genau das bedeutet Il Borgo – der Name des italienischen Restaurants in der Georgenstraße. Und obwohl hier nichts wirklich „klein“ oder „ländlich“ wirkt, beginnt mit dem Betreten der Glastür ein Rückzug vom städtischen Trubel.
Ein Schritt hinein – und man ist in einer anderen Welt. Dunkle Wände, indirektes Licht, ein großformatiges Acrylkunstwerk mit leuchtenden Flaschen: Die Inszenierung wirkt stimmig, zurückhaltend edel und klar strukturiert. Hier geht es nicht um Opulenz, sondern um eine Form moderner Eleganz, die Raum lässt für das Wesentliche: die Küche.
Il Borgo: Ein Abend in Münchens feinstem Ristorante zwischen Schwabing und Maxvorstadt
🔷 Restaurants in München auf Le Gourmand – Das Genießer-Magazin
Weitere Empfehlungen findest du in unserer Übersicht zu ➤ Restaurants in München.

Ein Menü mit Handschrift: Produkt, Handwerk, Herkunft
Wir starten unseren Abend mit drei Austern aus der Bretagne – No. 2, präzise temperiert, begleitet von Himbeeressig und Schalottenvinaigrette. Eine kleine Komposition, die das Meer in seiner Reinheit auf die Zunge bringt, ohne übertriebene Aromatik. Ein prägnanter Einstieg.

Es folgt der vielleicht überzeugendste Gang des Abends: Hausgemachte Tagliolini mit schwarzem Trüffel und Taleggio-Parmesan-Käse. Die Pasta fein, dünn, zart im Biss. Der Taleggio nicht zu aufdringlich, die Trüffel präsent, aber nicht laut. Hier zeigt sich Gianluca Doinos Stärke: italienische Küche, reduziert auf das Produkt, aber mit einem gewissen Twist.

Der Hauptgang ist der Signature Dish des Hauses: Branzino al sale, also Wolfsbarsch in der Salzkruste gegart. Was auf den ersten Blick klassisch wirkt, offenbart bei genauerem Hinsehen und -schmecken die Philosophie des Hauses. Der Branzino stammt aus der Hochseefarm in Portobello, wo die Fische in Tiefseenetzen auf hoher See gehalten werden – ein sorgfältig gewählter Kompromiss zwischen Wildfang und kontrollierter Zucht.


Das Resultat: ein Fisch von außergewöhnlicher Qualität, saftig, fest, aromatisch. Serviert mit feinem Gemüse – keine Spielerei, sondern wohldurchdachte Zurückhaltung.

Das Dessert überrascht: Tiramisu von der Bitterorange. Nicht zu süß, nicht zu schwer, mit einer feinen Zitrusnote, die das Menü elegant ausklingen lässt.
Küchenstil: Tradition im modernen Gewand
Das Il Borgo steht für gehobene italienische Küche – ohne sich dem Korsett der Klassik vollständig zu unterwerfen. Es ist kein Ort für Pizza oder stereotype Pasta-Satt-Angebote, sondern ein Refugium für jene, die Wert auf Produktqualität, Saisonalität und eine Handschrift in der Zubereitung legen.
Die Karte? Gibt es nicht im klassischen Sinn. Zweimal wöchentlich wird sie neu geschrieben. Wer hier regelmäßig einkehrt, isst selten zweimal dasselbe. Und genau das ist das Erfolgsrezept: Dynamik, Frische, Nähe zum Markt.Gianluca Doino geht selbst auf den Großmarkt, wählt Obst und Gemüse eigenhändig aus, vertraut dabei auf zwei italienische Gemüsehändler. Fleisch kommt aus der Toskana, bevorzugt Scottone, Entrecôte oder T-Bone. Frische hat Vorrang – vor Kalkulation oder Routine.
Der Mann hinter dem Restaurant: Gianluca Doino
Gianluca Doino ist erst 30 Jahre alt – und dennoch längst eine feste Größe in Münchens gastronomischer Szene. Sein Vater eröffnete das Il Borgo vor 35 Jahren, zuerst mit Partner, dann allein. Gianluca lernte zunächst Kellner, anschliessend Koch, später Tourismuskaufmann, besuchte die Hotelfachschule und absolvierte Betriebspraktika bei niemand Geringerem als Hans Haas und Sigi Schelling im Tantris. Danach war er im Charles Hotel tätig, bevor er vor zwölf Jahren ins Familienunternehmen einstieg. Seit zwei Jahren führt er das Il Borgo allein – der Vater genießt inzwischen den Ruhestand in der Basilicata, im Süden Italiens, irgendwo zwischen Salerno und den Bergen.
Die Crew ist stabil, eingespielt, professionell. Der Service ist zurückhaltend aufmerksam, nie aufdringlich, mit natürlicher Gastfreundschaft – ein Stil, den man sich nicht antrainieren kann, sondern leben muss.
Raum für Genuss: Intim, stilvoll, sommerlich erweitert
Das Il Borgo bietet 45 Sitzplätze im Innenbereich, elegant und ruhig arrangiert. Im Sommer erweitert sich das Restaurant nach außen: bis zu 40 Gäste finden im draußen im Schanigarten Platz – ein Juwel mitten in Schwabing, nur einen Steinwurf von der Grenze zur Maxvorstadt entfernt. Hier sitzt man entspannt, ohne Lärm, mit Blick auf das unaufgeregte Treiben der Georgenstraße.
Mittags ist von 12 bis 14:30 Uhr geöffnet, abends von 18 bis 23:30 Uhr – dienstags bis freitags, samstags nur abends, sonntags und montags bleibt das Restaurant geschlossen. Eine kluge Wahl, die zeigt: Qualität entsteht nicht durch maximale Öffnungszeiten, sondern durch klare Fokussierung.
Ein Abend im Il Borgo: Warum man wiederkommt
Wer das Il Borgo einmal besucht, versteht sofort, warum es in München eine der Konstanten für italienische Küche geblieben ist – über Jahrzehnte hinweg. Es ist nicht laut, nicht überdreht, kein Ort für Instagram-Poser oder Schickeria. Sondern ein echtes Feinschmecker-Restaurant, das Menschen anzieht, die gutes Essen schätzen, klare Aromen lieben, Handwerk erkennen – und wiederkommen.
Denn genau das passiert: Wer hier einmal isst, wird zum Stammgast. Nicht wegen der Preise, nicht wegen des Namens, sondern wegen der Atmosphäre, der Handschrift und der ehrlichen Küche.
Mein ganz herzlicher Dank geht raus an Gianluca Doino sowie an das ganze Team des Il Borgo für diese wunderbare Bewirtung. Hier wird Gastfreundschaft richtig verstanden.
Disclosure: Dieser Beitrag erschien in abgewandelter Kurzform im Magazin „Mein München Genuss“ aus dem Ippen Verlag, zu dem ich mehrere Artikel beigesteuert habe.