Home ReiseAustria Küchengötter unter sich: Harald Wohlfahrt kocht bei Eckart Witzigmann im Hangar 7

Küchengötter unter sich: Harald Wohlfahrt kocht bei Eckart Witzigmann im Hangar 7

by Götz A. Primke

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„Besser als ich gedacht habe“, so zieht Harald Wohlfahrt sein Fazit. Und das ist aus dem Mund dieses besten aller besten Drei-Sterne-Köche Deutschlands wohl eine Art Ritterschlag. Denn kein Geringerer als Harald Wohlfahrt, der Küchengott aus der Schwarzwaldstube des Hotel Traube Tonbach, kocht im Monat April im Restaurant Ikarus im Hangar 7 am Salzburger Flughafen. Patron dieses Restaurants, das zum Red Bull Imperium gehört, ist kein Geringerer als Eckart Witzigmann. Einem von nur vier Jahrhundertköchen des letzten Jahrtausends. Eckart Witzigmann implementierte die Nouvelle Cuisine in Deutschland und schuf mit dem Tantris Deutschlands besten Gourmettempel. Der, dem dieser Ritterschlag aus berufenem Munde gilt, ist Martin Klein, der Chefkoch vom Ikarus.

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Dem Elsässer Martin Klein war es gelungen, sich bei einem mehrtägigen Aufenthalt in der Traube Tonbach in die Küche, die Philosophie, das Verständnis und den Umgang mit den Grundprodukten von Harald Wohlfahrt hineinzuarbeiten. Das von Harald Wohlfahrt entworfene Rezept für das Ikarus erlernte er so gut, dass die Umsetzung vor Ort in Salzburg mehr als gelungen geriet. Unser Fazit vorweg: Wir empfehlen jedem, jetzt noch im April 2015 nach Salzburg zu fahren und bei Martin Klein die Küche von Harald Wohlfahrt zu geniessen. Mit etwas Glück lässt sich im Ikarus noch ein Tisch reservieren. In der Schwarzwaldstube der Traube Tonbach im schnuckeligen Schwarzwaldort Baiersbronn sollten die Plätze bereits um Monate im voraus reserviert werden. Selten jedoch wird einem diese Ehre zuteil: dass Martin Klein auch serviert.

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Ikarus_Hangar7_Salzburg_Witzigmann_Wohlfahrt_April_2015_130Anfang April hatten wir die Ehre, Zeuge zu sein bei einem extrem seltenen Aufeinandertreffen: Eckart Witzigmann und Harald Wohlfahrt kochten zusammen mit Martin Klein das Gastmenü von Harald Wohlfahrt. Eckart Witzigmann und Harald Wohlfahrt gemeinsam hinter dem Herd? Wann hat es das überhaupt oder zuletzt gegeben? Eckart Witzigmann verrät es uns: „Kurz bevor Harald Wohlfahrt in die Traube Tonbach ging, erhielt er bei mir den letzten Schliff.“ Das muss also etwa 40 Jahre her sein, denn genauso lange ist der Großmeister der Küchenkunst bereits in Baiersbronn. Jener verrät uns hingegen schmunzelnd, Eckart habe sich nicht getraut ihn anzusprechen, ob er mal als Gastkoch im Hangar 7 kochen möchte. Wobei Harald Wohlfahrt selten genug seinen Schwarzwälder Herd verlässt. Dafür aber umso mehr ehemalige Eleven von ihm in ganz Deutschland und auf der restlichen Welt Michelin-Sterne, Gault Millau Kochmützen, Ruhm und Ehre erkocht haben. Wieviele Sterneköche haben die beiden zusammen ausgebildet? Die Milchstrasse käme dem wohl gleich.

Ikarus_Hangar7_Salzburg_Witzigmann_Wohlfahrt_April_2015_171So sitzen wir also nicht nur im Restaurant Ikarus. Nein, wir haben die seltene Ehre, am Chef’s Table sitzen zu dürfen. Dieser ist direkt in der Küche, direkt neben Herd, Topf und Anrichte. Es ist jener legendäre Holztisch am hinteren Ende der Küche, der nur acht Personen Platz bietet und an besondere Gäste vergeben wird. Wir geniessen das gesamte Menü hindurch den direkten, ungeschönten und unverfälschten Blick auf die Küchenmannschaft. Diese ist nicht nur damit beschäftigt für die Gäste im Ikarus Restaurant und für uns das Sternemenü zuzubereiten. Im Bistro des Hangar 7 sitzen zu dieser Mittagszeit auch einige hungrige Gäste und bekommen ihre Gerichte aus der gleichen Küche, von den gleichen Köchen zubereitet. Das ist dann zwar kein Hot Dog von Witzigmann oder Wohlfahrt. Doch ist er von der Crew von Martin Klein ebenso frisch und lecker und appetitlich angerichtet, wie wenn es ein Gourmetgericht wäre.

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Die Küche des Hangar 7 am Salzburger Flughafen hat eine optimale Größe. Sie ist nicht zu gross, aber auch klein genug. Kurze Wege garantieren eine enge Absprache zwischen den Köchen, an den Wänden sind großformatige Fotos von standardisierten Teller-Arrangements und wenn Martin Klein ein neues Gericht oder den nächsten Gang ansagt, dann antwortet die gesamte Küchenbrigade mit einem laut vernehmbaren „Jawoll, Chef!“ Ich erinnere mich an meine eigene Ausbildungszeit im Steigenberger Berlin. So bin ich es auch gewohnt. Warum kann das daheim nicht auch so sein? ;)

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Als Amuse Gueule erhalten wir Kartoffelblini mit Imperial-Kaviar. Vom Feinsten, vom allerfeinsten. Dazu eine leichte Brioche.

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Die weiteren Magendratzerl sind eine Cocktailtomate mit Trüffel-Frischkäse sowie Sardinen-Tatar mit Oliventapenade.

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Ikarus_Hangar7_Salzburg_Witzigmann_Wohlfahrt_April_2015_102Wir werden Zeuge einer seltenen Begebenheit: Der sonst immer so gestreng und hochkonzentriert dreinblickende Harald Wohlfahrt muss bei einem der locker-flockigen Sprüche von Martin Klein die Mundwinkel dezent nach oben verziehen. „Sie werden doch wohl nicht lächeln?“, fragt er mit seinem elsässischen Charme. Währenddessen richten die Köche gerade die Vorspeise an: Hauchzart aufgeschnittene, plattierte und zu einem Kreis angerichtete wilde Gambas werden mit Koriandervinaigrette beträufelt. Und es gelingt uns diesen Moment des bei der Arbeit schmunzelnden Wohlfahrt mit der Kamera festzuhalten.

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Ikarus_Hangar7_Salzburg_Witzigmann_Wohlfahrt_April_2015_086Schliesslich steht der erste Gang des Meisterwerkes vor uns: Carpaccio und Croustillant von wilden Gambas mit Krabbenbrotchip und Koriandervinaigrette. Eine göttliche Offenbarung, die Produkte sind in ihrer Ursprünglichkeit erhalten, die Aromen assistieren, flankieren, sekundieren den eigentlichen Geschmack dieser roten Riesengarnelen. Dazu ein 2013 Silvaner S, Eschendorfer Lump von Horst Sauer, Franken.

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Doch wo Küchengötter gemeinsam schaffen, da ist jeder Gang wie ein einzelnes Gebet in einer langen Messe. Die Sesamblätter mit glasierter Gänseleberscheibe, Apfel-Ingwerkompott und Balsamicoglacée führen uns in weitere lukullische Sphären. Dazu ein 2010 Riesling Rothenburg Auslese vom Weingut Gundelach, Rheinhessen.

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Ebenso himmlisch schmeckt uns der folgende Gang: Jakobsmuscheln auf Ragout von Spitzmorcheln an leichtem Chablis-Sud mit Schnittlauch. Harald Wohlfahrt kauft die Jakobsmuscheln noch lebend und bereitet sie frisch zu. Sie sind in ihrer Konsistenz genau à point, innen noch schön glasig, angenehm bissfest. Wunderbar passt dazu der 2011 Meursault Les Narvaux aus der Magnum-Flasche von Vincent Girardin im Burgund.

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Was für ein wohlschmeckendes Gericht aus einem sonst eher langweiligen und kleinen Fisch gezaubert werden kann, dies zeigt uns dann der Fischgang: Rotbarbenfilet mit Makademianüssen, Kaffirlimette, feiner Dufteiscreme und Thaicurryschaum. Es erinnerte an ein thailändisches Fischcurry und war dennoch nicht scharf. Perfekt passt hierzu der 2013 Sauvignon Blanc Große Reserve vom Weingut Aldinger in Württemberg.

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Ikarus_Hangar7_Salzburg_Witzigmann_Wohlfahrt_April_2015_210Anschliessend geniessen wir die Lackierte Etouffée Taube mit Tannenhonig und schwarzem Pfeffer, glasierten Rübchen und Innereiencrème. Denn auch Harald Wohlfahrt ist der Meinung, dass alles von einem Tier essbar ist. Vom Kopf bis zum Schwanz sollte alles von einem Tier sinnvoll verwertet werden – und nicht nur die mageren Filetstücke. Die Taube stammt aus Frankreich, sie ist eine sogenannte Bluttaube. Sie wurde also erdrosselt, nicht geschlachtet. Bei dieser Methode bleibt das Blut im Muskelgewebe erhalten. Harald Wohlfahrt verarbeitet das ganze Tier: das Blut wird zu einer unheimlich intensiven, dichten Sauce – von Martin Klein per Kännchen vor dem Gast auf den Teller appliziert – die Innereien werden zur Crème. Der Tannenhonig gibt einen Hauch von Waldaroma hinzu. Wunderbarer Begleiter ist hier der 2007 Spätburgunder Assmannshäuser Höllenberg vom August Kesseler im Rheingau.

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Fast sind wir versucht zu fragen, ob dies alles die Antipasti sind? Denn nun kommt der Pasta-Gang: Parmesanravioli mit Artischocken, Gewürztomaten und Bärlauch. Doch wir sind fern von schweren Teigtaschen, der Ravioliteig ist dünn wie Pergamentpapier, die Parmesanfüllung ist leicht und locker. Die Aromaten Artischocken, Gewürztomaten und Bärlauch geben ein legeres, farbenfrohes Potpourri. Nach diesem Gang mögen wir uns nicht mehr der These anschliessen, dass Pasta füllt. Diese macht Appetit auf mehr. Diese schliesst nicht den Magen, sie wirkt anregend. Erfrischend passt dazu der prickelnde 1995 Weißburgunder Saar-Mosel-Winzersekt von der Mosel.

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Ikarus_Hangar7_Salzburg_Witzigmann_Wohlfahrt_April_2015_293Appetit anregend für das doppelte Dessert. Denn was jetzt kommt ist ein göttlicher Apfel. Nein, nicht ganz. Es ist eine Zuckerperle mit Yuzu-Zitronenschnee, Himbeer-Litschisorbet auf Mangokompott und mildem Ingwer-Sud. Der Sud wird dabei à la minute vor dem Gast über die Yuzu-Perle, die rosenrot schimmert und aussieht wie ein Reichsapfel. Zuerst knackt die Zuckerperle und gibt ihre süß-säuerliche Füllung preis. Göttliche süße Sünde.

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Als finalen Abschluss erfreuen wir uns an Haselnussparfait mit kandierten Kumquats und Cocktail von Zitrusfrüchten. Ich persönlich bin eigentlich kein Freund von Haselnuss. Doch dieses leichte Parfait ist etwas anderes. Gerade auch die Verbindung mit den süßlichen kandierten Kumquats und den sauren Früchten ist ein wunderbarer Endpunkt. Himmlisch herrlich begleitet vom 2005 Ex Vero Süß vom Weingut Werlitsch im Steirerland. Das Menü endet wie es anfing: Leicht, locker, gut bekömmlich. Wir fühlen uns nicht schwer und vollgefuttert. Sondern angenehm leicht und beschwingt.

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Als schöne Erinnerung an den Tag lassen wir uns die Menükarten signieren.

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Und ja, in Gegenwart dieser genialen Küchengötter habe ich ein journalistisches Nähe-Distanz-Problem. Warum sollte ich hier auch versuchen etwas zu kritisieren, wo es nichts zu meckern gibt? Vor der Leistung dieser beiden Männer verneige ich mich zutiefst und empfinde es als eine große Ehre, dass ich diesen Tag so erleben konnte. Ich gebe es zu: Ich fühle mich in dieser Runde wie ein kleiner Pfarrer, der gleichzeitig die beiden Päpste Franziskus und Benedikt trifft. Der Vergleich sei mir erlaubt, da ich zwar kein gelernter Koch, so doch aber Restaurantfachmann bin und eine gewisse Zeit im damaligen Gourmet-Restaurant auch hinter dem Pass als Entremetier gelernt habe.

Mein ganz herzlicher Dank also für diese Einladung zu einem Event, den ich so schnell nicht vergessen werde. Und meine Empfehlung an jeden, unbedingt mal in das Restaurant Ikarus am Salzburger Flughafen zu gehen. Monatlich kocht ein anderer Koch aus irgendeiner Ecke dieser Welt auf. Im Mai wird es Spezialitäten aus Istrien geben. Sowie meine Empfehlung, unbedingt mal in die Schwarzwaldstube im Hotel Traube Tonbach zu pilgern. Diese Pilgerreise habe ich allerdings auch noch vor mir.

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