Alois Dallmayr Fine Dining: Präzision, Leichtigkeit und bayerische Bodenhaftung auf 2-Sterne-Niveau

by Götz A. Primke
Alois Dallmayr Fine Dining

Es ist ein unscheinbarer Aufstieg: ein paar Stufen hinauf, vorbei an den Auslagen des wohl bekanntesten Delikatessenhauses Deutschlands. Unten drängen sich Touristen und Stammkunden zwischen Kaffeerösterei, Feinkostabteilung und Patisserie. Oben, in der ersten Etage, öffnet sich eine völlig andere Welt – das Alois Dallmayr Fine Dining. Ruhig, konzentriert und mit einer Atmosphäre, die mehr an ein elegantes Privatappartement als an ein klassisches Sternerestaurant erinnert.

Hier wirkt Rosina Ostler, eine von nur zwei deutschen Köchinnen mit zwei Michelin-Sternen. Die gebürtige Münchnerin steht seit 2022 an der Spitze des Hauses und prägt das Restaurant mit einer klaren Handschrift: französische Technik als Basis, skandinavische Frische als Akzent – und die herzhaften, tiefen Aromen Bayerns als verlässliches Fundament.

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Alois Dallmayr Fine Dining - Rosina Ostler

Rosina Ostler: Eine ungewöhnliche Laufbahn

Der Weg von Rosina Ostler in die Spitzengastronomie ist alles andere als geradlinig. Vor ihrer Ausbildung zur Köchin studierte sie „Food Culture and Communications“ an der University of Gastronomic Sciences im piemontesischen Polenzo. Anschließend kochte sie bei Martin Fauster im Münchner Königshof, bei Tanja Grandits in Basel, in der Traube Tonbach unter Torsten Michel und im Berliner „einsunternull“. Internationale Erfahrung sammelte sie zudem im Dreisterner Maaemo in Oslo. Ihren ersten Michelinstern erhielt sie im Restaurant „Mon Oncle“.

Diese Mischung aus akademischem Hintergrund, handwerklicher Präzision und internationaler Erfahrung prägt heute ihre Küche im Alois: reduziert im Aufbau, klar in der Aromatik, saisonal verankert und präzise ausbalanciert.

Zusammen mit ihren Kolleginnen Sigi Schelling im Werneckhof und Nathalie Leblond im Les Deux erhebt sie München damit zur Hauptstadt der weiblichen Sterneköchinnen. Es sind sogar vier, wenn man Sabrina Fenzl im Mind, Markt Indersdorf, noch dazuzählen möchte. An dieser Stelle mein privater Wunsch: Maike Menzel möge aus der Elternzeit wiederkommen, einen Platz in München finden und sich wieder einen Stern erkochen.

Alois Dallmayr Fine Dining

Alois Dallmayr Fine Dining: Der Empfang, das Entrée

Je mehr Sterne, umso hochwertiger ist das Gesamterlebnis des Restaurantbesuches. Zeitweilig sind die edleren Gourmet-Tempel auch etwas abseits. So befindet sich das Alois im historischen Dallmayr-Haus, das jeder Deutsche aus der TV-Werbung kennt, in der ersten Etage. Nur einen Steinwurf vom Dallmayr-Gebäude entfernt steht die historische Stadt-Schreiberei, in der Tohru Nakamura im Erdgeschoss die unprätentiöse Bar Tatar betreibt – doch über eine enge, sehr steile Treppe geht es hinauf zu „Tohru in der Schreiberei“, das zu meinem Besuch noch mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichnet war, mittlerweile mit drei Michelin-Sternen gekrönt ist. Das Alois allerdings verfügt über einen Aufzug, ist somit barrierefrei.

Ich steige die Treppe hinauf und werde am Restaurant-Empfang des Alois Dallmayr Fine Dining gleich mit Namen begrüßt, der Mantel wird mir abgenommen und elegant in einem Schrank verstaut. Ein Mitarbeiter geleitet mich zu meinem Tisch, gibt mir schon die ersten Informationen. Auf meinem Tisch steht eine Grußkarte an einem kleinen Blumengesteck. Und noch bevor die Menükarte kommt, erhalte ich eine Schale mit einem warmen Frotteetuch, um mir Gesicht respektive Hände zu reinigen. Mit der Karaffe Wasser kommt das Glas Champagner.

Das Menü: Eine kulinarische Erzählung in Gängen

Das Menü im Alois ist nicht als starre Abfolge angelegt, sondern als sorgfältig komponierte Dramaturgie. Jeder Gang baut auf dem vorherigen auf, setzt einen neuen Akzent oder führt eine vorher eingeführte Aromenspur weiter.

Zu Beginn präsentiert das Team den Gästen eine kleine Produktkunde: Herkunft, Verarbeitung und Besonderheiten der verwendeten Zutaten. Diese Nähe zum Produkt ist kein Marketingelement, sondern Teil des Konzepts – wer hier isst, soll verstehen, warum genau diese Komponenten auf dem Teller liegen.

Auftakt: Frische, Textur, Präzision

Alois Dallmayr Fine Dining

Douglasie, Petersilienwurzel, Joghurt
Ein kühler, klar strukturierter Einstieg. Die harzigen Noten der Douglasie verleihen der Petersilienwurzel eine ungewohnte Tiefe, während der Joghurt die Aromen ausbalanciert und Frische einbringt.

Alois Dallmayr Fine Dining

Saiblingsleber, Aubergine, Zimtblüte
Feincremige Saiblingsleber, deren Fülle durch die Bitternoten der Aubergine gebrochen wird. Die florale Süße der Zimtblüte setzt einen überraschenden Akzent.

Alois Dallmayr Fine Dining

Wagyu, Kapernblatt, Bottarga
Eine kleine, konzentrierte Portion: Fett und Umami des Wagyu treffen auf die salzige Intensität von Bottarga. Ein Kapernblatt sorgt für leichte Bitternoten und Frische.

Meeresnoten mit Charakter

Alois Dallmayr Fine Dining

Hummer, Bohne, Cognac
Klassische Kombination, modern interpretiert: Der Hummer wird durch zarte Bohnenaromen und einen Hauch Cognac getragen – die alkoholische Note dezent, aber präsent.

Alois Dallmayr Fine Dining

Goldforelle, Ingwer, Peruanische Minze
Ein frischer, klarer Zwischengang. Ingwer bringt Wärme, peruanische Minze kühle Kräutrigkeit.

Alois Dallmayr Fine Dining

Feldsalat, Blutwurst, Kakao
Ein mutiger Gang: Der erdige Feldsalat trifft auf würzige Blutwurst, deren Tiefe durch feine Kakaonoten unterstützt wird.

Übergang ins Herzstück des Menüs

Alois Dallmayr Fine Dining

Hirsch, Birne, Kaffee
Dunkle Aromen dominieren: zarter Hirsch, die Süße von Birne, begleitet von den leicht bitteren, röstigen Tönen des Kaffees.

Alois Dallmayr Fine Dining

Saibling, Fermentierter Spargel, Holunderblüte
Ein aromatisches Spiel zwischen Säure, Fermentation und floralen Noten. Der Spargel gibt Struktur, die Holunderblüte Leichtigkeit.

Alois Dallmayr Fine Dining

Speckbrot, Hefe, Kaviar
Eine Referenz an bayerische Brotzeit – jedoch mit feinster Ausarbeitung. Der Kaviar wirkt wie ein luxuriöser Kontrapunkt.

Vegetabile Akzente und feine Schärfe

Alois Dallmayr Fine Dining

Grünkohl, Molke, Jalapeño
Ein leiser, aber pointierter Gang. Der Grünkohl hat Biss, die Molke leichte Säure, Jalapeño setzt kontrollierte Schärfe.

Alois Dallmayr Fine Dining

Miesmuschel, Rosa Pfeffer, Rose
Ein überraschend floraler Gang: Rose und Muschel vereinen sich zu einer zarten, fast parfümierten Aromatik, die durch rosa Pfeffer Tiefe bekommt.

Hauptgänge mit Tiefe

Alois Dallmayr Fine Dining

Lamm, Senfkraut, Gurke
Das Lamm perfekt gegart, begleitet von der frischen, pfeffrigen Schärfe des Senfkrauts. Gurke sorgt für Leichtigkeit.

Alois Dallmayr Fine Dining

Rote Beete, Rauchtee, Blutorange
Ein Spiel aus Süße, Erdigkeit und Bitterkeit. Der Rauchtee verleiht Tiefe, Blutorange setzt einen klaren Frischepunkt.

Alois Dallmayr Fine Dining

Wachtel, Pflaume, Trüffel
Ein klassisch anmutender Gang: Saftige Wachtel mit der Süße reifer Pflaume und erdiger Trüffelwürze.

Finale und süße Akzente

Alois Dallmayr Fine Dining
Alois Dallmayr Fine Dining

Clementine, Bronzefenchel, Kardamom
Fruchtig-frisch, mit der anisartigen Note des Bronzefenchels und der warmen Würze von Kardamom.

Alois Dallmayr Fine Dining

Candy Salon
Zum Abschluss eine Auswahl filigraner Petit Fours – technisch präzise, geschmacklich pointiert und visuell makellos. Dieser vielfältige süße Abschluss beinhaltete: Macadamia & Miso / Sanddorn & Orangenblüte / Radicchio & Cassis / Alge & Karamell / Aprikose & BBQ / Vogelmiere & Apfel. Einfach nur umwerfend, welche unterschiedlichen Geschmackskombinationen und Texturen als Dessert kombinierbar sind. Es ist fast viel zu schade, dass das alles nur „one byte“-Happen sind. Und viel zu filigran, um erst nur etwas abzubeissen. Es ist alles ein kulinarischer Traum.

Service, Wein und Atmosphäre

Der Service im Alois ist präzise, unaufdringlich und gut eingespielt. Fragen zu Produkten und Zubereitung werden kompetent beantwortet, Weinempfehlungen sind stimmig und auf das Menü abgestimmt. Die Weinkarte ist breit aufgestellt – von klassischen europäischen Regionen bis zu modernen Entdeckungen.

Das Interieur ist hell, reduziert und lenkt den Blick auf das Wesentliche: den Teller vor dem Gast.

Alois Dallmayr Fine Dining - Rosina Ostler, Götz A. Primke

Fazit: Alois Dallmayr Fine Dining als feste Größe in München

Das Alois Dallmayr Fine Dining ist kein Ort für Effekthascherei. Rosina Ostler setzt auf eine Küche, die klar strukturiert, präzise gearbeitet und fest im Produkt verankert ist. Französische Basis, skandinavische Akzente und bayerische Bodenhaftung verbinden sich hier zu einer Handschrift, die in München einzigartig ist.

Für Kenner der gehobenen Küche ist das Alois ein Pflichtbesuch – nicht nur wegen der Sterne, sondern wegen der Souveränität, mit der hier gekocht wird.


Disclosure: Dieser Beitrag erschien in abgewandelter Kurzform im Magazin „Mein München Genuss“ aus dem Ippen Verlag, zu dem ich mehrere Artikel beigesteuert habe.

Mein ganz herzlicher Dank geht raus an Rosina Ostler sowie an das ganze Team des Alois Dallmayr Fine Dining für diese wunderbare Bewirtung. Hier wird Gastfreundschaft richtig verstanden. Wir verbrachten eine kurzen, doch unvergesslich schönen Abend im Alois Dallmayr Fine Dining. Wir danken für die Einladung, ohne die dieser Artikel nicht möglich gewesen wäre. Dennoch bleibt unsere Meinung nicht käuflich. Destinationen, Hotels und Restaurants überzeugen und begeistern mit ihrer Leistung. Dafür nochmals herzlichen Dank! 

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