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Genussblogs im Aufwind – Wer liest noch Zeitschriften?

by Götz A. Primke

Es ist schon alles gesagt worden. Nur nicht von jedem. In den Kanon der diversen Artikel in Zeitschriften, Online-Portalen und Blogs, der in den vergangenen Wochen über sich selbst resp. die Kollegen reflektierte, ob Profi-Journalisten in Print-Titeln oder Online-Portalen besser sind als Blogger, oder ob Blogger überhaupt Journalisten sind, wollte ich mich bewusst nicht einmischen. Zu sehr hat mich die arrogante Haltung von Spiegel Online genervt, zu viele andere Blogger sind sofort auf diesen Zug aufgesprungen und haben ihre Stimme erhoben. Wer sich bisher noch nicht dazu äußerte, das waren die Genuss-, Wein-, Bier-, Food- und Kochblogger. Oder sollte ich da was überlesen haben? Doch nun haben sich auch in unserem Bereich die ersten Kollegen mit exzellenten, lesenswerten Beiträgen geäussert.

Im Herrn Paulsen seinem Kiosk ist dieser Artikel erschienen, der meines Erachtens sehr richtig differenziert, dass einige gute monothematische Blogs durchaus eine Konkurrenz zu Special Interest Titeln sein können. Und am Beispiel der verschiedenen beliebten Kochblogs im Vergleich zu den sinkenden Auflagenzahlen der Kochzeitschriften zeigt er auf, dass die Schnelligkeit, Flexibilität und vor allem Authentizität und Glaubwürdigkeit ein Vorteil der Genussblogs ist. Er schlussfolgert:

„Nicht unerheblich ist der psychologische Effekt von Kochblogs. Statt von einer gesichtslosen Redaktion was vorgekocht zu bekommen, kocht man hier die Rezepte von „Freunden“ nach, Menschen die man aus der Community „kennt“, Menschen die auch Kinder haben und keinen Profibackofen und keine Kochausbildung.“

Mario Scheuermann greift das Thema auf und bricht es insbesondere auf den Erfolg der Weinblogger herunter. Sein Fazit:

Es gibt für die drei grossen Print-Titel Weinwelt, WeinGourmet und Vinum praktisch keine Möglichkeit mehr irgendeine Nachricht als erste oder sogar exklusiv zu haben. Was auch immer die Weinwelt bewegt, haben vorher bereits der Weinreporter, eno world news, wein-plus oder nikos weinwelten gemeldet. Kein neuer Weintrend, der nicht durch sämtliche einschlägigen Internetseiten, die tonangebenden Weblogs wie weinverkostungen.de, drink tank oder planet bordeaux und Foren wie talk-about-wine getourt ist, bevor er Wochen später in den Hochglanz-Magazinen ankommt. Allenfalls für Fachtitel mit 14-tägigem Erscheinungs-Rhythmus wie Weinwirtschaft und Wein + Markt ist das noch möglich zumal diese auch über wöchentliche Newsletter verfügen, die per Fax oder Email verbreitet werden.

Wie sieht es bei den Genussblags, den Hotel- und Restaurant-spezifischen Blogs aus? Ganz genauso. Wie gesagt: es ist schon alles dazu geschrieben, nur noch nicht von jedem. Ich kann mich den beiden Kollegen uneingeschränkt anschliessen. Nur, dass die Print-Titel hier andere sind.

Wer AHGZ, Tophotel, Superior Hotel oder First Class – im reinen Fachzeitschriftenmarkt für Hotellerie und Gastronomie sich anschaut – wird feststellen, dass die monatlichen Magazine nur über tiefgehende Fachtitel noch punkten können. Von Titeln wie Gastronomie oder gar Gastronomie & Hotel Impulse wollen wir garnicht erst reden.

Das Problem von allen wichtigen Fachzeitschriften: sie klatschen einfach nur die Pressemitteilungen der Unternehmen 1:1 rein.
Der Relaunch von tophotel.de war dringend nötig, doch er hat die Seite nur optisch geändert.
Superior Hotel gibt es erst seit März 2008 und ist eigentlich neu genug, um hier ein gutes Portal aufzubauen. Doch die Zeitschrift aus dem Gastrotel Verlag hat wohl noch nicht genug Mitarbeiter, um hier etwas Hervorstechendes präsentieren zu können. Immerhin hat sich die Webseite in den letzten Monaten deutlich verbessert, kleine Nachrichten stehen auch hier aktuell auf der Seite.
Der Relaunch des Portals von B&L Medien hat zwar eine bessere Optik gebracht, doch deren Zeitschrift First Class zeigt nur die drei Top-Themen der letzten Ausgabe. Das Newsportal des Verlages, der gvnet-infodienst.de, wird zwar fleissig von Dr. Michael Polster mit etwa fünf Nachrichten täglich gepflegt, doch sieht immer noch genauso schrecklich aus wie vor vielen Jahren. Liebe Heido, ändere hier doch bitte mal Design, Aktualität und bring das Web 2.0 in Deinen Laden!

Einzig Branchenführer AHGZ punktet gleich mit zwei aktuellen Portalen: ahgz.de und café-future.net berichten immer über die aktuellsten Branchennews. Positiv hebt sich hier auch das kleine bayerische Magazin Gastronomie Report von Willy Faber ab, das zusammen mit dem Branchenportal Abseits.de einen eigenen Newsletter herausgibt. Das Abseits Blog unter dem Titel Gastgewerbe Gedankensplitter bringt dann noch tagesaktuelle und interessante Hintergrundberichte von Gerhard Schoolmann.

Die Bloggerszene hingegen wächst und wird immer interessanter. Neben den bereits lange tätigen Bloggern und bloggenden Journalisten wie etwa AHGZ-Redakteur Dirk Baraneks Restaurant-Kritik.de, den Notizen für Genießer von Theo Huesmann und dem Blog und Newsletter Gourmet Report, finden sich so exzellente Seiten wie etwa Gotorio und Dinnerscout, die immer wieder ein Genuß und Gewinn zum lesen sind. Dies sind Genussblags, wie ich sie liebe!
Das Webforum Hospitality Inside lasse ich mal ganz aussen vor: bei dem exzellenten und professionellen Portal von Maria Pütz-Willems und Susanne Stauß muß man sich anmelden und einen regelmäßigen Beitrag zahlen.

Auch Hotelinhaber bzw. Mitarbeiter fangen an zu bloggen, wie etwa seit kurzem Sabine Jarsetz mit gastro experience oder Stephan Waidele aus seinem Hotel Krone mit dem Kronenblog.

Im internationalen Vergleich sind hier unbedingt noch Hotel-Blogs zu nennen, sowie Happy Hotelier aus den Niederlanden, der mir übrigens immer ein großes Lesevergnügen bereitet. Das sind zwar keine Genussblags, aber diese Blogs bieten Genuss, sie zu lesen!

Doch das Web 2.0 bzw. Travel 2.0 bleibt nicht stehen. Neben Blogs gibt es auch das Mikro-Blogging Werkzeug Twitter. Was das genau ist, darüber hat Annik Rubens hier einen guten Radiobeitrag für den SWR produziert. Welche Hotels und Restaurants twittern schon? Das hat gestern Mario Scheuermann hier analysiert und sich gleich hier selbst ergänzt. Mein eigener Twitter ist übrigens hier.

Während die deutsche oder auch deutschsprachige Hotellerie hier deutlich hinterher ist, platzen Portale im Bereich Tourismus fast aus allen Nähten. Und auf diesen Travel- oder Reiseseiten und -portalen wird fleissig über Hotels geschrieben, die Hotels bewertet. Doch was machen die deutschen Hoteliers? Sie lesen es nicht oder nur wenig.
Ich denke, es wird Zeit, dass sich hier etwas tut und der Trend zu Genussblogs und zum Travel 2.0 nicht weiter verschlafen wird. Blogs sind mehr und mehr meinungsbildend und werden von mehr und mehr Lesern rezipiert. Hingegen schrumpfen nach IVW-Zahlen die Auflagen der Printtitel weiter. Flexibilität, Authentizität, Credibilität – das sind die Schlagwörter, warum dieser Trend unaufhaltsam ist.

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