Spanien hat viele große Weinregionen. Rioja, Ribera del Duero, Priorat – klingende Namen mit weltweitem Ruf. Doch wer wirklich spannende, eigenständige und zugleich herrlich zugängliche Weiße entdecken will, der sollte den Blick nach Kastilien und León richten. Denn dort liegt die DO Rueda, eine Region, die sich in den letzten Jahren zu einem der dynamischsten Weißweingebiete Europas entwickelt hat. Und ich hatte kürzlich das große Vergnügen, einige der interessantesten Weine dieser Appellation bei einer ausführlichen Verkostung kennenzulernen.

Die Temperaturen steigen endlich, der Sommer 2025 ist angekommen. Heute schwitzte München bei knackigen 32°C – es wird Zeit, die richtigen Sommerweine einzukaufen und einzugiessen. In diesem Artikel teile ich nicht nur meine Verkostungsnotizen, sondern auch Hintergründe zur DO Rueda selbst – ihrer Geschichte, ihren Rebsorten, dem Terroir und ihrer wachsenden Bedeutung. Natürlich mit dem Ziel, euch Lust zu machen, selbst einmal ein Glas Rueda zu genießen. Besonders jetzt im Sommer.
Contents
Ein Verkostungsbericht und ein Blick hinter die Kulissen einer aufstrebenden Weinregion

Rueda Rising: Warum Spaniens Weißweinwunder endlich im Rampenlicht steht
Wer bei Spanien nur an Tempranillo, Rioja und Sherry denkt, hat den weißen Aufschrei aus dem Herzen Kastiliens noch nicht gehört. Die DO Rueda – ein Hochplateau zwischen Valladolid, Segovia und Ávila – ist auf dem besten Weg, sich vom Geheimtipp zum Trendgebiet zu wandeln. Und das mit Fug, Recht und einer Rebsorte, die mehr Charakter hat als ein Sommelier beim Blind Date: Verdejo.
Verkostung: 7 Weine, 7 Facetten der DO Rueda
Ich durfte mich kürzlich durch eine grandios zusammengestellte Verkostung probieren – sieben Weine, sieben Ausrufezeichen. Dabei wurde klar: Die DO Rueda ist nicht nur eine Herkunftsbezeichnung, sie ist ein Statement. Frische, Struktur, Eleganz – aber auch Experimentierfreude, Tradition und Tiefe. Und immer öfter auch: Sauvignon Blanc, der hier auf spanischem Boden ein ganz eigenes Profil zeigt.

1. Marqués de Riscal Sauvignon Blanc 2024
Marqués de Riscal – ein Name wie Donnerhall. Doch statt Rioja gab’s hier einen knackigen Sauvignon Blanc, Jahrgang 2024, der mit Stachelbeere, Limette, grüner Paprika und weißen Blüten flirtet. Ein internationaler Klassiker in Rueda-Interpretation: Der Sauvignon Blanc 2024 von Marqués de Riscal zeigt, wie gut diese Rebsorte auf den Höhenzügen Kastiliens gedeiht. Ungemein frisch, fast tänzelnd auf der Zunge, mit dieser kristallinen Mineralität, die man sonst eher in Sancerre erwartet. Und genau das ist das Überraschende: Sauvignon in Rueda? Funktioniert – und wie! Riscal hat hier früh Pionierarbeit geleistet. Heute zeigt sich: Das Experiment ist längst ein Klassiker. Perfekt zur Ceviche.

2. Marqués de Cáceres Verdejo 2023
Ein typischer Verdejo: Der zweite Wein der Probe war ein Paradebeispiel für den typischen, jungen Verdejo: Der 2023er von Marqués de Cáceres Verdejo präsentiert sich glasklar, ist ein echter Frischebolzen – knackig, zitrisch, grünfruchtig. Im Bouquet dominieren Grapefruit, Anis und ein Hauch frisch geschnittener Fenchel. Am Gaumen dann ein blitzsauberer, geradliniger Stil. Trocken, belebend, unkompliziert und absolut sommertauglich. Ein Paradebeispiel für das, was die DO Rueda so attraktiv macht: Wenig Experimente, dafür pure Trinkfreude. Wunderbar als Terrassenwein oder zu Tapas mit Meeresfrüchten.
3. Felix Cachazo Carrasvinas Brut
Ein Schaumwein aus 100 % Verdejo? Wer sagt denn, dass aus Verdejo kein Schaumwein werden kann? Dieser Carasvinas Brut hat’s bewiesen. 12 Monate im Holzfass, Flaschengärung, Charakter satt. Das ist kein Prosecco-Ersatz – das ist ein echtes Erlebnis. Ein Aromenspiel aus Brioche, geröstete Haselnuss, reife Birne und Zitrusabrieb, dazu die feine Perlage – ein eleganter, spannender Essensbegleiter. Eine spannende Rarität und Beweis für die Vielseitigkeit der Region. Könnte blind auch für einen hochwertigen Champagner gehalten werden.
4. Tres Pilares 2023 Verdejo Sobre Lías
Verdejo kann auch Textur: Der Tres Pilares 2023 gehört zur Kategorie „Verdejo mit Rückgrat“. Über sechs Monate auf der Feinhefe („sobre lías“) gelagert, bringt dieser Wein nicht nur Frische, sondern auch Textur. Am Gaumen zeigt er sich cremig, beinahe burgundisch, mit einer eleganten Balance zwischen Frucht und Säure. Aromen von gelbem Pfirsich, Kamille und Mandarine. Sehr harmonisch, mit gutem Körper und eleganter Säure. Feiner Schmelz, viel Substanz. Rund, aber nicht fett. Perfekt zu gegrilltem Fisch oder gereiftem Ziegenkäse.

5. Palacio de Bornos, Verdejo 2022
Vier Monate Barrique können viel kaputt machen – oder viel veredeln. Palacio de Bornos hat hier definitiv Letzteres geschafft. Vier Monate Holz geben diesem Verdejo von Palacio de Bornos eine angenehme Tiefe und Komplexität, ohne die Frische zu überlagern. Die Holznoten sind dezent, eher ein Hauch von Vanille und Toastbrot als dominanter Charakter. Der Wein bleibt im Kern ein Verdejo, aber mit Tiefe, Struktur und Länge. Wer glaubt, dass Weißwein nicht reifen kann – hier ist der Gegenbeweis. Vielschichtig, schmelzig, lang. Ein Wein für ein zweites Glas – und ein zweites Nachdenken.
6. De Alberto, 80 Anniversario, Edición Limitada
Dieser limitierte Verdejo ist kein Wein, sondern ein Erlebnis. Ein Monument aus alten Buschreben, ausgezeichnet als Gran Vino de Rueda. Dieser Verdejo von de Alberto besitzt alles: Konzentration, Komplexität, Länge. Alte Buschreben, lange Reife, höchste Selektion. In der Nase zeigt sich eine Komplexität, wie man sie bei Verdejo selten erlebt: Trockenobst, Honig, Wachs, Salbei, gelbe Früchte, Rauch. Am Gaumen dicht, fast ölig, mit salziger Mineralität und endlosem Finish. Könnte sich blind mit gereiften Meursaults messen. Ein „Gran Vino de Rueda“ – und das völlig zu Recht. Ein Meisterwerk für Kenner. Die Produktion ist auf 7.780 Flaschen begrenzt. Und laut Webseite des Weingutes nicht in Deutschland verfügbar. Da muss man sich also an die Weinhändler halten. Großes Kino!

7. José Pariente, Apasionado 2023
Zum Abschluss eine Liebeserklärung: Der „Apasionado“ von José Pariente mit Seele, ein reinsortiger Sauvignon Blanc, bio, aus 40 Jahre alten Reben. Dieser Wein tanzt aus der Reihe – und gerade deshalb bleibt er so eindrucksvoll. Reife Tropenfrucht, Grapefruit, florale Noten, dazu ein Hauch Mineralität, der fast an Feuerstein erinnert. Vielschichtig, verspielt, elegant, dabei stets präzise. Sauvignon kann im Rueda-Gewand sogar emotional werden. Ein großer Wein mit Nachhaltigkeitsanspruch. Saftig, verspielt, fordernd. Ein Wein, der Geschichten erzählt.
Die DO Rueda im Porträt: Spaniens weiße Hoffnung
Die Denominación de Origen Rueda liegt im Nordwesten Spaniens, rund um die Städte Valladolid, Segovia und Ávila. Sie wurde 1980 als erste DO für Weiße in Spanien anerkannt und umfasst heute mehr als 19.000 Hektar Rebfläche. Das Zentrum ist das Städtchen La Seca, von dem aus die Weinberge in alle Richtungen verlaufen.
Lage, Klima und Terroir
Die DO Rueda liegt auf einem Hochplateau zwischen 600 und 800 Metern über dem Meer. Das kontinentale Klima bringt heiße Tage und kühle Nächte, ideale Bedingungen für Frische und Aromatik. Die Böden sind sandig, kieshaltig, stellenweise lehmig, mit guter Drainage und wenig organischer Substanz. Genau das liebt die Rebe: Stressfaktoren, die sie zu Bestleistungen treiben.
Rebsorten: Verdejo im Fokus
Die unumstrittene Hauptrolle spielt die autochthone Rebsorte Verdejo. Sie ist das Gesicht der Region und verantwortlich für die typischen, aromatischen, oft leicht an Fenchel erinnernden Weiße der DO Rueda. Daneben sind auch Sauvignon Blanc, Palomino Fino und Viura zugelassen. Seit 2019 sind außerdem Viognier und Chardonnay zugelassen. Einige Winzer experimentieren mit fermentierten oder spontanvergorenen Varianten, mit Barrique- und Hefeausbau – was für stilistische Vielfalt sorgt.
Natürlich gibt es in der DO Rueda auch hervorragende rote Weine. Die Hauptsorte ist hier Tempranillo, die flankiert wird von Garnacha, Cabernet Sauvignon, Merlot und Syrah. Doch auf die Rotweine der DO Rueda wollen wir hier und heute nicht eingehen.
Weinstile und Qualitätsstufen
Neben klassischen, frischen Weißen entstehen in Rueda auch feinperlige Schaumweine, gehaltvolle, auf der Feinhefe gereifte Versionen und sogar komplexe Barrique-Weine. Seit kurzem gibt es mit dem „Gran Vino de Rueda“ eine neue Spitzenkategorie für Weine aus alten Reben mit limitiertem Ertrag.
Foodpairing: Wozu passt ein Wein aus der DO Rueda?
Weiße aus der DO Rueda sind wahre Alleskönner. Besonders gut harmonieren sie mit:
- Meeresfrüchten & Fisch (Ceviche, Garnelen, Muscheln)
- Ziegenkäse & Manchego
- Asiatischen Gerichten mit Ingwer & Limette
- Tapas aller Art
- Sommerlichen Salaten & Grillgemüse
Auch solo auf Balkon oder Terrasse sind sie ein Hochgenuss. Ihre Frische macht sie zu den perfekten Sommerweinen.
Fazit: DO Rueda – Frische, Vielfalt, Faszination
Die Verkostung war mehr als eine Reise durch sieben Flaschen. Sie war ein Querschnitt durch eine DO, die längst viel mehr ist als „Verdejo und fertig“. Rueda steht für Qualität, Vielfalt, Charakter. Die Weine können unkompliziert sein – aber sie können auch fordern, überraschen, berühren. Besonders spannend ist die stilistische Bandbreite: von frischer Fruchtbombe über hefige Texturwunder bis zum gereiften Holzgiganten.
Die DO Rueda ist viel mehr als ein Geheimtipp. Sie ist ein aufstrebender Star am Weißweinhimmel. Ihre Weine sind klar, aromatisch, voller Energie – und dabei meist äußerst fair im Preis. Wer heute einen authentischen, lebendigen Weißwein sucht, kommt an Rueda kaum noch vorbei.
Dass sich hier nun auch immer öfter Sauvignon Blanc behauptet – und nicht als billiger Loire-Klon, sondern als eigenständige Größe – zeigt, wie dynamisch diese Region ist. Und das Beste? Rueda bleibt (noch) erschwinglich. Viel Wein für faires Geld – mit echtem Wow-Faktor.
Mein Tipp: Wer Verdejo bisher für einen simplen Sommerwein hielt, sollte sich einen Nachmittag mit diesen Flaschen gönnen. Oder zwei. Am besten im Schatten einer Pinie – und mit Freunden, die gerne Neues entdecken.
Und wer ähnlich wie ich einmal durch eine gut kuratierte Probe gegangen ist, wird sich schwer tun, nicht gleich ein paar Flaschen nachzubestellen. Besonders im Sommer. Besonders zu gutem Essen. Besonders, wenn man Spanien im Glas schmecken möchte.
Nur kurz abschließend: Die Verkostung der DO Rueda fand im DeinApart München-Unterföhring statt. Über die Qualität des Menüs wollen wir gern großzügig den Mantel des Schweigens bereiten. Das Haus ist noch relativ neu und wahrscheinlich sollte man die Küche eines Aparthotels, das sich an Longstay-Gäste richtet, die entweder im eigenen Zimmer kochen oder auswärts bei Geschäftsessen speisen, nicht mit Hotelküchen mit viel Walk-in-Gästen vergleichen. Anyway, es hat gepasst.
Prost auf die DO Rueda!