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Vergesst Venedig!

by Rozsika Farkas
Vergesst Venedig Rozsika Farkas

Nur wenige Kilometer von den überlaufenen Touristenzielen Venedig, Jesolo & Co tut sich eine ganz eigene Welt auf: eine fast unberührte Lagunenlandschaft, die sich am schönsten per Fahrrad oder Boot erkunden lässt und in der Landgasthöfe mit herzlichen Gastgebern zum Schlemmen und Schlummern einladen. Für Le Gourmand – Das Geniesser-Magazin war Gast-Autorin Rozsika Farkas rund um Noventa di Piave unterwegs.

Backen ist Sabrinas Leidenschaft, das bekommen die Gäste beim Frühstück zu schmecken. Die Kuchenauswahl am morgendlichen Buffet – Walnusskuchen, Feigentorte, Torta della nonna, Ricotta-Torte, Apfelkuchen – würde jeder Konditorei zur Ehre gereichen, auch die Brote sind hausgemacht. Dazu gibt es Erlesenes aus handwerklich arbeitenden Käsereien und Metzgereien der näheren Umgebung. Sabrina Vitoli ist auch eine fabelhafte Köchin, das lässt sie einen abends erleben, wenn sie pikante Cannoli mit Kürbisfüllung auftischt und Auberginenlasagne, in Rotwein marinierte Schweinebäckchen und warme Schokotörtchen mit eingelegten Kirschen. 

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Vergesst Venedig: Noventa di Piave ist ein Geheimtipp

Zusammen mit ihrem Mann Giorgio Turini führt Sabrina das Settecentoalberi („Siebenhundert Bäume“) in Noventa di Piave in Venezia orientale, dem östlichen Hinterland von Venedig. Dass das gastliche Anwesen unter agriturismo firmiert, ist eine schamlose Untertreibung – der Begriff ist die Entsprechung zu unserem „Urlaub auf dem Bauernhof“. Landsitz träfe es schon eher, die fünf Gästezimmer sind komfortabel und mit viel Liebe zum Detail ausgestattet, im Frühstücks- und Speiseraum fühlt man sich eher wie in einem großzügig dimensionierten Wohnzimmer – oder besser: einem Salon – bei Freunden. Ein weitläufiger Park umgibt das Haus, und vieles, was Sabrina auftischt, stammt aus eigenem Anbau. 

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Vergesst Venedig: Venezia Orientale bietet viele gute Adressen

Das Settecentoalberi ist keineswegs die einzige Wohlfühladresse in Venezia orientale. Die Gegend ist Sitz einiger äußerst angenehmer Landgasthöfe, von denen aus sich die Lagunenlandschaft erforschen lässt. Mehr feudal als rustikal residiert es sich etwa in der Casa dei Racconti, wo sechs individuell ausstaffierte Zimmer, ein weitläufiger Garten samt Pool sowie ein Restaurant, das die typischen Gerichte der Region anbietet, die Gäste empfangen. Das Motto des Restaurants lautet kilometro zero, „null Kilometer“; gemeint ist damit, dass die Küche nur Produkte aus dem allerengsten Umkreis verarbeitet.

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Weiße Polenta mit Garnelen

Dazu gehört zum Beispiel die weiße Polenta aus der raren Maissorte Biancoperla, die praktisch nur noch in ein paar Winkeln des Veneto angebaut wird und von Slowfood zu den schützenswerten Schätzen der norditalienischen Landwirtschaft gezählt wird. Hausherr Gianni Pasin beschäftigt sich eingehend mit solchen kulinarischen Kostbarkeiten. Es ist ihm ein, wie er sagt, ethisches Anliegen, Biodiversität zu fördern und altes Saatgut zu erhalten. Im Moment hat es ihm eine bestimmte Bohnensorte angetan, die Mame Gialle, auch sie eine vom Verschwinden bedrohte Spezies. Dass es sich – auch in kulinarischer Hinsicht – unbedingt lohnt, sie zu erhalten, beweist die köstlich-deftige Bohnensuppe, die Gianni in seinem Restaurant servieren lässt.

Vergesst Venedig Rozsika Farkas
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Im Zimmerpreis ist – sowohl in der Casa dei Racconti wie im Settecentoalberi – nicht nur das fabelhafte Frühstück, sondern auch die Nutzung der Fahrräder enthalten. Denn die Landschaft hinter der Lagunenstadt eignet sich wie kaum eine andere in Italien dazu, mit dem Fahrrad erkundet zu werden.

Reizvoll, verträumt und abwechslungsreich, von Kanälen und mäandernden kleinen Wasserläufen durchzogen, dabei topfeben, bietet sie fernab von Autoverkehr idyllische Panoramen, nur unterbrochen durch lohnende Einkehrmöglichkeiten. Eine davon ist der Agriturismo La Barena, wo deftige Fleischgerichte und Fisch aus der nahen Lagune auf den Tisch kommen. La Barena ist nur 12 Kilometer von Jesolo entfernt, und dennoch wirkt der Ort, als sei er völlig der Welt entrückt. 

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Vergesst Venedig: Weibliche Winzerinnen im venezianischen Hinterland

Oder man radelt zum Bioweingut Tessère, das ebenfalls über einen in feinstem Landhausstil ausstaffierten Agriturismo verfügt, und besucht dort Winzerin Emanuela Bincoletto und ihre Mitarbeiterinnen – der Betrieb ist fest in weiblichen Händen. Wer mag, kann dort lernen, wie man leckere Gebäckkringel oder andere Rezepte aus der cucina della nonna („Omas Küche“) zubereitet, oder sich in der Kunst des Mosaiks unterweisen lassen.

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Emanuela Bincoletto
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Raboso

Was man aber keinesfalls versäumen darf, ist eine Weinverkostung. Denn hier gibt es den Raboso, und Emanuela Bincoletto ist die unbestrittene Nummer Eins, die Königin des Raboso. Die Trauben mit der fast schwarzblauen Haut und dem hohen Säure- und Gerbstoffgehalt werden ausschließlich hier in Venezia orientale und in Treviso kultiviert. Damit die daraus entstehenden Weine nicht rustikal und kantig ausfallen, benötigten sie Zeit, und die lässt Emanuela ihnen.

Der wunderbare, zwiebelschalengoldene Spumante Redentore („Befreier“) durfte acht Jahre auf der Hefe reifen, der aktuell gehandelte Jahrgang ist 2010. Er duftet würzig, ein wenig salzig, ist kraftvoll und gleichzeitig harmonisch-fein, mit appetitlich-frischer Säure – ein faszinierender Schaumwein, der sich nicht nur als Aperitif, sondern mehr noch als Essensbegleiter eignet. Auch kräftigen trockenen Roten und sogar edlen Süßwein gewinnt Emanuela aus dem Raboso.

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Vergesst Venedig: Mit Elektrobooten über den Piave

Das Fahrrad ist aber nur eins von zwei idealen Fortbewegungsmitteln – das andere ist das Boot. Mit Elektrobooten, auf denen sechs Personen bequem Platz finden, lässt es sich gemächlich und geräuschlos den Piave entlangschippern. Von der Mitte des Flusses aus bieten sich traumhafte, ungewohnte Einblicke in eine unberührt erscheinende Landschaft – Romantik pur! Als Anlegestelle für einen Zwischenhalt zu empfehlen ist die Schokoladenmanufaktur Cioccolateria veneziana in San Donà di Piave, wo es neben feinsten Pralinen auch bestes Speiseeis zu naschen gibt, bevor es weiter mit dem Boot durch die Lagunenlandschaft vor Venedig mit ihrer Vielfalt an Pflanzen und Vögeln geht. Wen nach so viel Naturerlebnis die Lust auf einen Stadtspaziergang überkommt, der findet im idyllischen mittelalterlichen Städtchen Portogruaro ein lohnendes Ausflugsziel.

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(c) Fotos: Rozsika Farkas und Susanne Wess

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