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Mein Flug von München nach München – oder: Die verpasste Austernsafari

by Götz A. Primke

Austernsafari
Der Born der Aphrodisiaka. Der Überfluss, von dem Geniesser alle träumen. Austern im Übermaß am Strand der Insel Fanø. Der Tourismusverband Visit Fanø lädt mich ein zu einer Austernsafari. Ich freue mich schon sehr darauf. Doch der starke Schneefall über Europa macht mir einen Strich durch die Rechnung. Stattdessen fliege ich nur von München nach München. Was für eine Zeitverschwendung. Was für eine ökologischer wie ökonomischer Schwachsinn. Wie kam es dazu?

Eine Reise kann auch mal zum Flop werden. Eine Reise kann scheitern. Ich hatte mich so sehr auf diese Tour gefreut. Mitten im Dezember nach Dänemark auf die Insel Fanø in Südjütland fahren, um dort mit dem sogenannten Austernkönig Jesper Voss auf Austernsuche zu gehen. Doch ich bin noch nicht mal bis nach Dänemark gekommen. Von München nach Billund geht kein Direktflug. Mit KLM geht es über Amsterdam, mit Lufthansa über Frankfurt und mit Brussels Airlines über Brüssel. Die Verbindung über Amsterdam war die Sinnvollste. Doch hatten wir die Rechnung ohne Wettergott Petrus gemacht. Ja, natürlich hatte ich meinen neuen Deuter Helion 80 RollenrucksackkofferMein Flug von München nach München - oder: Die verpasste Austernsafari 4 vollgepackt mit Outdoor-Klamotten, mit Schnee- und Regenfesten Sachen. Denn ich ging davon aus, dass eine Austernsafari im Dezember in Dänemark eine sehr nasse Sache sein könnte. Mit Schnee, Wind und Wetter hatte ich gerechnet, aber in Dänemark. Nicht in Amsterdam.

AusternsafariBereits der Start verlief reichlich unglücklich. Denn ich wollte schon am Sonntag vormittag, einen Tag vor dem Treffen mit Austernkönig Jesper Voss, von München nach Billund fliegen. Doch schon am Samstag mittag, also etwa 24 Stunden vorher, erhielt ich eine SMS von KLM. Der Flug Amsterdam – Billund sei gestrichen. Kein Wort allerdings vom Flug München – Amsterdam. Ich versuchte per Twitter, Facebook und Whatsapp mit KLM Kontakt aufzunehmen. Eine telefonische Kundenhotline gibt es nicht, zumindest ist sie auf der Webseite von KLM nicht auffindbar. KLM ist stolz darauf, seine Social Media Strategie mit Hilfe eines Dienstleisters namens DigitalGenius komplett automatisiert zu haben. KLM erhält wöchentlich 130.000 Anfragen auf allen Kanälen und beschäftigt dafür etwa 250 Social Media Agenten, die in über 30.000 Unterhaltungen pro Woche eingebunden sind. Kein Wunder also, dass gerade in Spitzenzeiten nicht immer sofort jemand erreichbar ist. Dafür wird künstliche Intelligenz eingesetzt. Artificial Intelligence, abgekürzt auch nur noch AI genannt, gibt den Kunden mittlerweile automatisierte Antworten, die allerdings nicht immer befriedigen können oder ganz genaue zielgerichtete Antworten geben. Das System lernt eben noch. Per Twitter erhielt ich folgende Antwort:

Doch auf die folgende direkte Nachricht von mir an KLM erhielt ich keine Rückmeldung. Der Facebook-Account von KLM Deutschland antwortete mir noch mittags, brauchte dann aber bis 23 Uhr, um mir die für mich einzig akzeptable Verbindung zu buchen und zu bestätigen. Es wäre wohl an dieser Stelle sinnvoll gewesen, die Reise zu stornieren. Allerdings wusste ich ja nicht, was mir noch bevorstand. Hinterher ist man immer schlauer. Auch wenn man anschliessend liest, wie schon wenig Schnee für Chaos an den Flughäfen sorgen kann. Gerade die internationalen Drehkreuze Frankfurt, Amsterdam und Paris, aber auch Berlin, Hamburg, München, Wien, London oder Warschau kommen bei plötzlichem Schneefall im Winter an ihre Grenzen, das Chaos im Flugverkehr ist vorprogrammiert. Der Grund: die europäischen Flughäfen laufen an ihrer Belastungsgrenze. Zuviel Flugverkehr, zu wenige Landebahnen, zu wenig Personal. Der Flughafen München ist im Gegensatz zum Flughafen Frankfurt deutlich besser auf winterliche Bedingungen eingestellt. Doch wenn nach jedem Räumvorgang und einer Landung die Landebahn schon wieder zugeschneit ist, dann kommen auch die Bayern nicht mehr nach.

Am Montag früh stand ich dann um 4 Uhr auf, ein Taxi holte mich um 4.45 Uhr ab und fuhr mich zum Flughafen. Der Flug mit KLM von München nach Amsterdam in einer B737 war problemlos. Doch beim Anflug auf Amsterdam erkannte ich schon, dass Holland unter einer wunderschönen Schneeschicht lag. Nicht allzuviel, aber doch mehr als wir in München an Schnee hatten. Zufällig sass ich auf einem Platz, an dem ich in München sehen konnte, wie das Gepäck unten in den Bauch eingeladen wurde. Und in Amsterdam sah ich zufällig meinen Deuter Rollenrucksack aus dem Bauch auf einem Förderband herausfahren. Es war das letzte Mal, dass ich ihn sah. Denn bis zum 15.12.2017, hat die KLM es nicht geschafft, den Koffer nachzuliefern.

Austernsafari
Im Flughafen Amsterdam-Schiphol ging ich direkt zum Gate für meinen Flug Amsterdam – Billund. Der Flieger stand zwar da, doch sehr bald erschien auf den Monitoren die Information, dass der Flug nicht stattfindet. Gestrichen. Cancelled. Ich bemühte mich, die nächste Verbindung zu bekommen. Doch auch hier hiess es schnell: Gestrichen. Ich reihte mich ein in die extrem lange Schlange am Info-Schalter, in der Hoffnung, dort schnell an Informationen zu gelangen. Zweimal kam Personal von KLM bzw. vom Flughafen Schiphol vorbei und verteilte Wasserflaschen und Mars. Und während ich in der Schlange stand, hörte ich die Information, dass der Flughafen von Amsterdam um 16.00 Uhr schliessen würde. Mir wurde klar: Ich habe keine Chance mehr, nach Billund zu kommen. In Amsterdam übernachten und am nächsten Tag nach Billund fliegen, war keine Option. Zum einen war nicht sicher, ob der Schnee am nächsten Tag geschmolzen sein würde. Zum anderen wusste ich, dass der Austernkönig nur an bestimmten Tagen verfügbar war.

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Also zurück nach München. Nur wie? An einem Gate, an dem angeblich ein Flug nach München gehen sollte, half mir ein Engel der KLM. Die Dame gab mir zu verstehen, dass der letzte Flug nach München um 15.25 aus Amsterdam rausgehen würde. Sie buchte mich auf diesen Flug um und bog wohl auch ein paar Regeln zur Seite, damit ich an der Warteliste vorbei auf einen letzten freien Sitzplatz kam. Und sie sagte mir, dass der Flug wohl auch von einem anderen Gate in einem anderen Terminal ausgehen würde. Also schnell quer durch den Flughafen zum anderen Gate. Nach einer kleinen Wartezeit kam ich problemlos in den Flieger. Das wundervolle Winterwetter sorgte allerdings noch für eine weitere Verzögerung. Statt um 15.25 loszufliegen, standen wir erstmal in der Warteschleife zur Enteisung. Der Pilot und seine Crew waren spitze. Wir wurden jederzeit informiert und haben jeden Schritt erklärt bekommen. So war die Wartezeit zwar lang, jeder Passagier hatte allerdings Verständnis. Sicherheit geht vor – und dass das Wetter schlecht war, sah ja jeder. Oder eben nicht, denn mittlerweile waren unsere Scheiben zugeschneit. Und so flogen wir erst gegen 17.00 aus Amsterdam zurück.

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In München angekommen, brauchte ich mir keine Gedanken um mein Gepäck zu machen. Es war einfach nicht da. Dafür allerdings sehr viel Gepäck von anderen Leuten. Die Koffer standen hier mehr oder weniger unbewacht in einer Ecke. Für Menschen mit bösen Gedanken wäre es ein Leichtes, sich hier einfach schnell ein Gepäckstück zu greifen und durch den Ausgang rauszuspazieren. Am Terminal 1 ist das Gepäck offensichtlich nicht so exzellent abgetrennt wie am Terminal 2 auf dem Münchner Flughafen. Ich ging also gleich zum Lost & Found Schalter und wollte gleich meinen Deuter Rollenrucksack als verloren melden. Doch musste ich nach Auskunft der KLM-Damen am Münchner Flughafen erstmal warten, bis wirklich alle Gepäckstücke aus der Maschine raus waren und mein Koffer nicht dabei war. Doch schließlich konnte ich meinen Koffer als vermisst melden und mit der S- und U-Bahn nach Hause fahren. Es war ein langer, ereignisreicher und doch irgendwie verlorener, verschenkter Tag.

Der Koffer? Den bekam ich erst eine Woche später wieder. Während ich in München war, ist mein Koffer wohl ohne mich von Amsterdam nach Billund geflogen, hat dort einsame Runden auf dem Kofferband gedreht, bis jemand feststellte, dass der Koffer doch bitte wieder nach München kommen soll. Und so flog er von Billund via Amsterdam nach München zurück. Diesen Weg konnte ich auf der Lost & Found-Wegseite der KLM beobachten. Digitalisierung ist schön, vor allem, wenn man auch so sinnlose Umläufe sieht. Das Unternehmen, das am Flughafen München für KLM einsame Gepäckstücke zu den Eigentümern zurück bringt, war in diesen Tagen überlastet und so erhielt ich einen Anruf des Dienstleisters der Lufthansa. Ich bat darum, den Koffer in unserem Wohnhaus bei jedem Nachbarn – oder aber alternativ beim Frisör gegenüber auf der anderen Straßenseite abzugeben. Und was tat der Bote? Er gab den Koffer direkt beim Frisör ab – allerdings ohne mich darüber zu informieren. Und so fand ich am Samstag nachmittag, kurz nach Feierabend beim Frisör, meinen Deuter Rollenkoffer im Laden stehen. Sonntag war zu, montags hat der Laden natürlich auch geschlossen – und so hatte ich meine Klamotten erst am Dienstag wieder zurück.

Was es mit der Austernsafari wirklich auf sich hat

Was ich verpasst habe, die Austernsafari auf Fanø, werde ich hoffentlich und sicherlich bald nachholen. Wer in den Monaten mit „R“ das Eiland besucht, kann mit Austernkönig Jesper Voss auf Austernsafari gehen. Hier ist es „hyggelig“, was so viel heißt wie gemütlich. Ausgerüstet mit Gummistiefeln und Eimern geht es weit hinaus in das Wattenmeer vor Esbjerg. Zurück an Land gibt es zu selbst gesammelten Austern ein Vadehav Oyster Stout. Das herzhafte Craft Beer fließt auch auf dem Fanø Østersfestival in Strömen, einem alljährlich in Nordby ausgetragenen Wettstreit um den Titel des besten Austernkochs. Jesper ist kein Sternekoch und beteiligt sich nicht. Außerdem liebt er pikantere Zubereitungen, die er im „The Øyster King Cookbook“ zusammengetragen und veröffentlicht hat.

Vor Jahren wurden mit den Überseeschiffen, die als Ballast Meerwasser getankt hatten und selbiges kurz vorm Einlaufen in einen Nordseehafen abließen, Pazifikaustern eingeschleppt. Genau jene, wofür so mancher Unsummen ausgibt. Die Austern fühlten sich in der Nordsee ganz schnell heimisch. Nur leider zeigte sich bald, dass sie sich nicht von Luft, Liebe und Meerwasser ernähren, sondern bei der Gelegenheit auch Gefallen an den Garnelen, Würmern, Schnecken und vor allem den kleinen Miesmuscheln finden. Aber genau diese Ureinwohner des Nationalparks Wattenmeer sind der Grund, warum jedes Jahr im Frühjahr und im Herbst zehn bis zwölf Millionen Zugvögel im Watt rasten und ebenfalls auf Nahrungssuche gehen. Also entweder die Austern fressen den Zugvögeln die Nahrung weg – oder wir Menschen essen die Austern auf.

Disclosure: Herzlichen Dank an Visit Fanø und Ehrenberg Kommunikation für die Organisation! Ich hoffe, dass wir eine erfolgreiche Austernsafari bald nachholen können.

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