Mit dem Tod von Fritz Eichbauer (24.06.1928 – 19.06.2025) verliert Deutschland eine Persönlichkeit von seltener Prägung: einen Architekten, Bauherrn, Kulturmenschen und Feinschmecker – einen Mann, dessen Wirken gleichsam im Sichtbaren wie im Geistigen Spuren hinterlässt. Als Visionär an der Schnittstelle von Architektur, Kulinarik und Kultur hat er Maßstäbe gesetzt. Mit seinem architektonischen Gespür, seiner Treue zur Qualität und seinem ausgeprägten Sinn für Form und Funktion wurde er zu einem prägenden Gestalter der Nachkriegsmoderne. Und mit dem Bau des Tantris – jenes mythischen Restaurants in München – hat er deutsche Gastronomiegeschichte geschrieben.
Fritz Eichbauer wurde am 24. Januar 1928 in München geboren. Er wuchs in eine Welt hinein, die bald durch den Zweiten Weltkrieg erschüttert wurde. Sein Vater war Architekt, doch der frühe Tod des Familienoberhaupts zwang den jungen Fritz früh zur Übernahme von Verantwortung. Schon in jungen Jahren trat er in das elterliche Architekturbüro ein, dessen Fortführung er mit großer Ernsthaftigkeit betrieb. Er studierte Architektur und prägte gemeinsam mit seiner Familie den Wiederaufbau Münchens in der Nachkriegszeit entscheidend mit. Die dabei entstehende Haltung – Disziplin, Klarheit, Zweck und Qualität – zog sich durch sein gesamtes Lebenswerk.

In den 1950er- und 60er-Jahren schuf Eichbauer mit seinem Büro zahlreiche Verwaltungs- und Wohnbauten, die bis heute Bestand haben. Funktional, langlebig, klar – so könnte man sein architektonisches Selbstverständnis zusammenfassen. Er war kein Lautsprecher der Szene, kein stilistischer Eklektiker, sondern jemand, der an die Kraft der Reduktion glaubte. Weniger als Mode war ihm das Maß wichtig. Das Maß der Dinge, das Maß der Verantwortung – und das Maß im eigenen Urteil. Die Fritz Eichbauer Bauunternehmung profitierte vom Bauboom der 1960er-Jahre, sein Engagement prägte das Stadtbild Münchens nachhaltig. Einige der bekanntesten Bauwerke der bayrischen Hauptstadt, darunter die Amalienpassage in der Maxvorstadt mit rund 200 Wohnungen, das Terrassenhaus im Stadtteil Ottobrunn oder das Gebäude des Europäischen Patentamts, hat Eichbauers Unternehmen errichtet.
Fritz Eichbauer: Erfinder, Gründer und Mäzen des Tantris
Doch es war seine zweite Leidenschaft, die ihn über die Grenzen der Architektur hinaus bekannt machen sollte: die Liebe zur Kulinarik. Inspiriert von Reisen nach Frankreich – wo feines Essen Teil der Alltagskultur ist und große Küchenchefs wie Künstler verehrt werden – reifte in ihm der Gedanke, auch in Deutschland einen Ort zu schaffen, an dem Kochkunst und Ästhetik gleichberechtigt zur Entfaltung kommen. Dieser Gedanke nahm 1971 Gestalt an: mit dem Bau des Tantris.
Das Tantris war von Beginn an ein radikaler Gegenentwurf zum gastronomischen Mainstream der Zeit. Kein verschnörkeltes Gourmetrestaurant mit plüschigen Sesseln, sondern ein modernes Gesamtkunstwerk aus Sichtbeton, Keramik, Licht und Farbe. Entworfen vom Schweizer Architekten Justus Dahinden, der eine fast sakrale Architektur schuf, erinnerte das Tantris an einen Tempel der Sinnlichkeit – ein Ort der Konzentration, der Stille, der Komplexität. Die Außenwelt blieb draußen. Drinnen: Kunst, Küche, Konversation.
Fritz Eichbauer: Eckart Witzigmann, Heinz Winkler und Hans Haas kochten für ihn
Fritz Eichbauer wusste: Große Architektur braucht große Küche. Und so engagierte er für das Tantris niemand Geringeren als Eckart Witzigmann, einen Schüler Paul Bocuses, der das gastronomische Deutschland revolutionieren sollte. Witzigmanns Küche war eine Sensation: leicht, raffiniert, französisch inspiriert – und dabei vollkommen neu für Deutschland. Das Tantris erhielt 1973 seinen ersten Michelin-Stern, 1974 den zweiten. Eine neue Ära begann.
Später übernahmen mit Heinz Winkler (ab 1978) und Hans Haas (ab 1991) zwei weitere Ausnahmeköche das Zepter in der Küche. Hans Haas prägte das Haus über 28 Jahre mit seiner leisen, aromengetriebenen Küche, die auf beste Produkte, präzise Technik und unaufdringliche Eleganz setzte. Eichbauer unterstützte seine Küchenchefs stets aus dem Hintergrund, mit Respekt und Vertrauen. Er war ein Gastgeber im besten Sinne: ein Ermöglicher, kein Dirigent.

Neben der Küche war auch der Weinkeller des Tantris legendär. Und das lag nicht zuletzt an einer Frau, die ebenfalls Pionierin war: Paula Bosch, die 1981 als erste offiziell anerkannte Sommelière Deutschlands zum Tantris kam. Mit ihrer Expertise, Klarheit und Persönlichkeit baute sie einen der bedeutendsten Weinkeller des Landes auf. Unter ihrer Leitung wurde der Service nicht nur perfektioniert, sondern veredelt. Sie war – ganz im Geiste Eichbauers – eine stille Größe mit großer Wirkung.
An seiner Seite stand stets seine Frau Sigrid-Ursula Eichbauer, die maßgeblich an der Entstehung des Tantris beteiligt war. Sie kuratierte das Interieur mit, entschied über Materialien, Farben, Geschirr und Kunstwerke. Ihre ästhetische Handschrift gab dem Tantris jene subtile Wärme, die aus einem architektonischen Statement einen Ort der Gastlichkeit macht. Gemeinsam schufen die beiden ein Haus, das von Anfang an mehr war als ein Restaurant: ein kultureller Treffpunkt, ein Denkraum, ein Erlebnis.
Auch im Privaten lebte Fritz Eichbauer nach jenen Werten, die sein berufliches Wirken bestimmten: Integrität, Zurückhaltung, Verlässlichkeit. Er war kein Mensch der Bühne, sondern des Gesprächs. Freunde und Weggefährten beschreiben ihn als klug, ironisch, treu – einen Gentleman alter Schule, der lieber fragte als antwortete, lieber hörte als sprach. Er war belesen, musikalisch, interessiert an Kunst, Philosophie, Wein und Weltpolitik. Seine Urlaube verbrachte er am liebsten in der Provence, wo er – weit weg von Münchens Betriebsamkeit – neue Kraft schöpfte.
Fritz Eichbauer: Die Zukunft mit Felix Eichbauer und Benjamin Chmura

Besonderen Stolz empfand er für seinen Sohn Felix Eichbauer, der frühzeitig in die Fußstapfen der Eltern trat. Seit 2004 führt Felix die Geschäfte des Tantris und hat das Erbe seines Vaters mit Sorgfalt, Neugier und Eigenständigkeit weiterentwickelt. 2020 leitete er die umfassende Neuausrichtung des Hauses ein – gemeinsam mit Küchenchef Benjamin Chmura, der aus dem Hause Troisgros stammt. Die Renovierung des Tantris war eine Hommage an die Ursprünge und zugleich ein mutiger Blick nach vorn: zeitlos statt nostalgisch, respektvoll statt museal.
Der Geist von Fritz Eichbauer lebt in diesen Mauern weiter. Im präzise gesetzten Licht. In der unverwechselbaren Stille der Räume. In der Haltung, mit der gekocht, serviert und empfangen wird. In jedem Detail, das nichts dem Zufall überlässt.
Am 19. Juni 2025 ist Fritz Eichbauer im Alter von 97 Jahren verstorben. Er hinterlässt ein Lebenswerk, das weit über das Sichtbare hinausreicht. Mit ihm verliert Deutschland nicht nur einen großen Architekten oder Gastronomen, sondern einen Kulturbürger – einen Menschen, der glaubte, dass Qualität nicht verhandelbar ist. Der überzeugt war, dass das Schöne und das Gute sich nicht widersprechen. Und der es verstand, beides mit Haltung zu verbinden.
Sein Tod hinterlässt eine Lücke – in München, in der deutschen Gastroszene, in den Herzen seiner Familie, Freunde und Kollegen. Aber auch ein Erbe, das bleibt: als Inspiration, als Maßstab, als Verpflichtung.
Danke, Fritz Eichbauer. Für Räume, die Form haben. Für Abende, die bleiben. Für ein Leben, das Haltung war.