Home LifestyleGAP „Next Top Client“: PR-Agentur verlost kostenlose PR – Unlauterer Wettbewerb oder coole PR-Aktion?

„Next Top Client“: PR-Agentur verlost kostenlose PR – Unlauterer Wettbewerb oder coole PR-Aktion?

by Götz A. Primke

Weber BenAmmar Next Top Client screenshotSie haben ein Hotel und brauchen PR? Sie haben für Pressearbeit kein Budget eingeplant? Sie waren mit Ihrer letzten PR-Agentur nicht zufrieden? Oder haben Sie sparen müssen und haben Ihre PR-Manager/in entlassen? Dann bewerben Sie sich bei WeberBenAmmar PR. In Form eines Gewinnspieles können einzelne Luxushotels oder ganze Hotelgruppen etwas ganz Besonderes gewinnen: sechs Monate unentgeltliche Full Service-PR-Betreuung! Je nach Agenturstruktur, dem zukünftigen Gewinner bzw. Kunden und verschiedenen Maßnahmen kann dieser Gewinn einen Umsatz von schätzungsweise 10.000 bis hin zu 30.000 Euro Wert haben. Ist das eine coole PR-Aktion, mit der die Agentur in der Branche auf sich aufmerksam macht? Oder ist das schon unlauterer Wettbewerb, der Abmahnungen oder eine Rüge vom Deutschen Rat für Public Relations nach sich ziehen kann? Le Gourmand fragte nach: bei direkten Wettbewerbern, PR-Agenturen mit anderen Schwerpunkten sowie bei der Vereinigung Deutscher Reisejournalisten VDRJ.

Vor wenigen Tagen wurde ich auf eine Meldung in einem Branchennewsletter aufmerksam. „16.08.2011 – PR-Agentur geht mit Gratis-PR auf Kundenfang: Bei der Aktion „Next Top Client“ von WeberBenAmmar können sich Hotels für ein halbes Jahr um eine kostenlose Betreuung bewerben“, stand da. Logisch, was Heidi Klum mit Germanys Next Top Model kann, das können Unternehmen auch: die Kunden müssen sich jetzt beim Unternehmen, hier: der PR-Agentur bewerben. Wenn sie als gut befunden werden, als Wert genug von der Agentur betreut zu werden, dann erhalten sie die Gnade Ehre, ein halbes Jahr lang kostenlos betreut zu werden. Aber was beinhaltet das genau? Ist das ein kostenloses halbjähriges Pitching? Oder dreht sich die Preisspirale in der PR-Szene weiter nach unten? PR für lau – was kann das wert sein? Oder ist das gar ähnlich wie bei der „Tramp a Benz“-Kampagne von Daimler und JvM und der jetzt folgenden Rüge: Erst die Werbung, dann die Moral?

Jede Agentur braucht neue Kunden. Der übliche Ablauf der Kundengewinnung läuft über Pitches. Laienhaft gesagt, bewerben sich mit einem Pitch mehrere Agenturen um den PR-Etat eines Unternehmens. Oft werden diese Pitches nicht bezahlt. WeberBenAmmar PR dreht den Spieß um. Die potentiellen Kunden müssen sich bewerben. Neukundenakquise 2.0?

Was beinhaltet das Gewinnspiel? Laut Ausschreibung auf der Webseite sind Interessenten aufgefordert unter dem Motto „Wir bringen Sie auf den Roten Teppich“ , ein Highlight des Hotels, beispielsweise den Concierge, einen prominenten Gast, den Kronleuchter aus dem Foyer oder die beste Cocktail-Kreation, auf dem Roten Teppich zu inszenieren. Dieser darf auch eine andere Farbe oder Musterung aufweisen, alles andere bleibt der Fantasie der Teilnehmer überlassen. Ein entsprechendes Bewerbungsfoto oder –video ist per E-Mail einzusenden. Einsendeschluss ist der 30. Oktober 2011. Der Gewinner wird bis zum 15. November 2011 benachrichtigt. Am 1. Januar 2012 beginnt die kostenlose PR-Leistung mit Full Service im deutschsprachigen Europa, exklusive Drittkosten. Das Gewinnspiel richtet sich ausschließlich an die Luxushotellerie, also einzelne Luxushotels oder Hotelketten.

Ich fragte Annette Weber-Ben Ammar:

Die Inhaberin von WeberBenAmmar PR ist Brancheninsidern keine Unbekannte. Bevor sie sich mit ihrer eigenen PR-Agentur selbstständig machte, leitete sie zehn Jahre die PR-Geschicke von 365 Luxushotels der Kooperation The Leading Hotels of the World im deutschsprachigen Europa. Die Kundenliste von WeberBenAmmar PR umfasst Luxushotels und ein paar Destinationen. Laut Selbstbeschreibung ist „WeberBenAmmar PR die führende Public Relations Agentur im Luxussegment der Touristik.“ Ich denke, dass hier einige andere Agenturen noch ein Wörtchen mitreden wollen. So befindet sich die Agentur z.B. nicht in den Top Ten des Rankings der besten Tourismus-PR Agenturen 2011.

Laut Frau Weber-Ben Ammar ist der Gewinn keine Mogelpackung, sondern wirklich eine volle PR-Betreuung mit allen Leistungen. Je nach Gewinner umfässt das Paket: möglichst eine Pressemitteilung pro Monat, ggf. eine Pressereise, ein Social Media Paket, evtl. Barter-Aktionen und andere Kooperationen. Landau Media steuert die Clippings kostenlos hinzu. Das genaue Paket wird dann geschnürt, wenn der Gewinner feststeht. „Es muss alles zum Produkt, zum Kunden passen“, erklärt Annette Weber-Ben Ammar.

Zum Hintergrund der Aktion verdeutlicht mir die Agenturchefin: „Es gibt so viele Ausschreibungen. Wir wollten einfach mal den umgekehrten Weg gehen. Denn es bringt uns wenig, uns überall zu bewerben – und dann leer auszugehen. Wir wollen zeigen, dass es auch andersherum funktionieren kann. Bei gegenseitiger Sympathie und Erfolg kann dann hinterher ein fester Vertrag daraus entstehen.“

Die „Grande Dame der Hotel-PR“ (Hotelling) wird zivilisationskritisch: „Die Menschen sind mehr und mehr Egoisten. Sie wägen ab, was sie machen und nehmen dann nur das was sie wollen. Die Zeiten sind hart. Daher drehen wir den Spieß um. Dabei erfinden wir das Rad nicht neu. Wir wollten nur einen anderen Weg gehen.“
Ich hinterfragte, ob das Risiko nicht hoch sei, dass der Gewinner nach einem halben Jahr wieder abspringt. Ein reiner Opportunist, der kostenlos die Leistungen einer renommierten PR-Agentur absahnt, dann aber nicht bleibt, aus welchen Gründen auch immer. „Wir werden dann sehen, wer Interesse an PR hat. Wenn der Kunde abspringt, dann hatten wir wenigstens unsere Eigen-PR. Wir können keinen Kunden binden. Wir hoffen darauf, dass in der Zeit die zwischenmenschliche Beziehung stimmt und wächst und dann daraus eine langfristige Bindung entsteht,“ antwortet Annette Weber-Ben Ammar optimistisch.

Ein extrem großer Zusatznutzen des Gewinnspieles, den WeberBenAmmar PR nicht erwähnt: Alle Teilnehmer des Gewinnspiels sind automatisch auf der Shortlist. Denn die Hotels, die sich bewerben, brauchen ja alle PR. Sie haben Interesse daran, von einer Agentur in Sachen Presse- und Öffentlichkeitsarbeit vertreten zu werden. So weiß die Agentur, wer schon mit offenen Türen da steht und kann gleich in die Verkaufsgespräche gehen. Oder anders ausgedrückt: diese potentiellen Neukunden und die bestehenden Altkunden finanzieren die über sechs Monate anfallenden Kosten des Gewinners.

Ein anderer Aspekt, der beachtet werden sollte: Der Gewinner erhält Leistungen für sein Unternehmen. Meiner persönlichen Einschätzung nach muss er diese dann versteuern in Höhe des potentiellen Wertes. Auf der anderen Seite kann WeberBenAmmar PR die kostenlos erstellten Leistungen als Aufwand ohne Einnahmen steuermindernd absetzen. Hierzu würde mich die Meinung eines Steuer-Experten interessieren.

Doch sollte das Beispiel Schule machen? Ich befürchte, dass sich dann die Preisspirale für PR-Leistungen weiter nach unten dreht. Denn wenn schon eine PR-Agentur kostenlose Beratung für ein halbes Jahr anbietet, dann können das ja auch andere. Es wird nicht gleich zu einem Wett-Unterbieten kommen, aber der Ansatz ist da.

Es ist heute schon üblich, dass PR-Agenturen den Journalisten überflüssig machen. Die Verlage brauchen immer weniger feste oder freie Redakteure, da komplett fertig geschriebene Artikel von PR-Agenturen kostenlos geliefert werden. Statt diese Materialien als Basis zu nehmen und einen Journalisten die Geschichte nachrecherchieren zu lassen, drucken viele Medien diese fertig gelieferten PR-Artikel 1:1 ab. Im schlimmsten Fall steht dann noch nicht mal „PR-Artikel“ drüber. Oder die PR-Agentur zahlt sogar Geld für den „redaktionellen Beitrag“, sie kauft sich also die Redaktion. Wenn jetzt zusätzlich noch die PR-Leistungen für den Kunden, das Hotel nichts kosten: Wovon leben Journalisten und PR Berater demnächst? Tauschwirtschaft?

Schließlich denke ich, dass Leistungen kostenlos anzubieten im Marketing die meistbenutzte, aber am wenigsten nachhaltige Strategie ist. Eine Agentur macht das also vielleicht einmal, um neue Kunden heranzuholen. Aber dann stellt sich die Frage: Kaufen die auch zum regulären Preis wieder ein?

Wer in Deutschland in der Public Relations tätig ist, sollte auch Mitglied im Berufsverband Öffentlichkeitsarbeit, der Deutschen Public Relations Gesellschaft (DPRG) sein. Die PR-Branche hat ein paar ethische und moralische Grundsätze, den Code d’Athènes und den Code de Lisbonne. Der Artikel 11 des Code de Lisbonne besagt: „Public Relations-Fachleute dürfen die Vergütung für ihre Dienstleistungen nur in Form eines Honorars oder Gehaltes entgegennehmen.“ Widerspricht also das Verhalten von WeberBenAmmar PR den ethisch-moralischen Grundsätzen ordnungsgemäßer Öffentlichkeitsarbeit? Doch halt, was steht da noch: Dieser Paragraph ist „laut Beschluss der 41. DPRG-Mitgliederversammlung am 17. Juni 2000 in Mainz für die Bundesrepublik Deutschland ausgesetzt„. Aha?! Warum? Ich frage bei dem Deutschen Rat für Public Relations nach und erfahre: Die kostenlose Pitch-Kultur hat dazu geführt, diesen Passus der Realität anzupassen resp. auszusetzen.

Ich wollte wissen, was Andere zu dieser PR-Aktion bzw. Neukundenakquise sagen. Vorweg: Die Antworten sind relativ unterschiedlich ausgefallen. Natürlich haben sich auch Gesprächspartner der Meinung aus unterschiedlichen Gründen enthalten. Das Motto „Eine Krähe…“ möchte ich hier nicht jedem unterstellen. Die Stellungnahmen, die ich erhielt, schwanken zwischen „na und?“ bis zu einem totalen „no go!„. (Reihenfolge ohne Wertung alphabetisch nach Nachnamen.)

Ingo Becker, Becker. Joerges. agile communication: „Die Aktion befindet sich in der Grauzone zum unlauteren Wettbewerb. Welche Leistungen kann der Gewinner denn hinterher wirklich einfordern? Ein qualitativer Anspruch ist so nicht zu gewährleisten. Außerdem würde ich gerne wissen, wer denn dann die PR für den Kunden macht: der teure Senior-Berater oder der Praktikant? Der Sieger wird doch in der Agentur durch-, wenn nicht sogar runtergereicht. Auf jeden Fall ist es ein geschickter Schachzug der Agentur, damit in die Öffentlichkeit zu rutschen. Doch bin ich selbst der Meinung, dass Agenturen eine reelle Leistung, eine reelle Ware zu einem reellen Preis abrechnen sollen. Bei 0 Euro stellt sich mir die Frage, ob das noch etwas wert ist. Wenn sich so etwas durchsetzt, dann ist auch die gesamte PR langfristig nichts mehr wert.“

Marcel Brunnthaler, Hansmann PR: „Wer gute Arbeit leistet, kann sich diese gut bezahlen lassen. Was nichts kostet, ist nichts wert. Das gilt für PR wie Journalismus gleichermaßen! Für mich ist die Aktion nicht mehr, als kein besonders origineller Gag. Wer in der PR-Branche nicht damit aufhört, die Preise kaputt zu machen, setzt die Wertschätzung unserer Arbeit nachhaltig aufs Spiel.“

Jürgen Drensek, Präsident der VDRJ:
„Tourismus-PR war von den Etats her nie die lukrativste Sparte für die professionellen Öffentlichkeitsarbeiter. Und dazu kommt noch, dass viele Klein- und Kleinstagenturen bis hin zur Ecke eines Schreibtischs bei einem Freien Journalisten versuchen, sich bei allen möglichen touristischen Leistungsträgern anzudienen. Es herrscht ein unglaublicher Preiskrieg in einem sehr überschaubaren Markt. Dass Agenturen jetzt nicht mehr Pitches abwarten, sondern pro-aktiv versuchen, durch Social Media Kampagnen oder verkleidete Wettbewerbe potentielle Kunden anzufüttern, zeigt die Dramatik des Verdrängungswettbewerbes. Als Journalist sieht man es mit einer gewissen Verwunderung, da hinterher eh gefühlt 90 Prozent der PR-Meldungen in den elektronischen Papierkorb wandern…“

Klaus Eck, PR Blogger, Social Media Berater und Reputations-Management-Experte: „Grundsätzlich sollte es immer um Qualität gehen. Wer sich zum billigen digitalen Jakob macht, muss die Reputationsfolgen tragen. Ein solches Angebot kann ich nicht als seriös bezeichnen. Denn mit so einem Angebot ist man auch immer in Google auffindbar und wir damit verbunden.“

Mirko Lange, Talkabout Communications: „Warum nicht? Ich sehe da nichts anstößiges. Ob das gut ist, wird alleine der Erfolg zeigen. Ich würde allerdings eher vermuten, dass sich hier – wenn überhaupt – eher kleine Hotels beteiligen. Und ob die dann später die Agentur glücklich machen werden und die Position als „führende PR-Agentur“ stärken werden?“

Uschi Liebl, Uschi Liebl PR: „Das wird sicher nicht der Weg von uschi liebl pr! Derartige Aktionen schaden unserer Meinung nach nicht nur der gesamten Branche, sie entwerten vor allem auch unsere tägliche Arbeit. Sehr schade.“

Herbert Maro, Maro+Partner: „Kostenlos-Aktionen tragen sicher nicht unbedingt dazu bei, dass die Wertschätzung für die PR-Arbeit in der allgemeinen Wahrnehmung größer wird. Aber das muss jede Agentur mit sich selbst ausmachen. Und über Ethik in der Kommunikationsbranche zu diskutieren, ist wohl vergebliche Liebesmüh’.“

Barbara Wanner, Organize Communications: „Ich finde grundsätzlich nichts Verwerfliches daran. Eigen-PR eben. Jeder Unternehmer entscheidet selbst, wann er wem etwas gratis gibt oder nicht und ob es zielführend und passend für das eigene Unternehmen ist. Der Kunde entscheidet dann nach eigenem Geschmack, ob er es für gut oder für schlecht befindet. Mit dieser Aktion holt man neue Kunden ins System, ob man damit die bestehenden glücklich macht, bleibt die Frage.“

Soweit also die Antworten, die ich erhalten habe.
Wie seht Ihr das? Sind solche „Gewinnspiele“ zur Kundengewinnung zielführend? Oder schädigen sie die PR-Branche? Was denkt Ihr? Ich freue mich auf Eure Meinung hier oder auf meiner Facebook-Fanpage.

Disclaimer: Der Autor ist u.a. Mitglied in VDRJ und DPRG.

Print Friendly, PDF & Email

Related Articles

Leave a Comment

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.