Die Stadt Tai’an im Nordosten Chinas, in der Provinz Shandong, ist für so manche einzigartige Sehenswürdigkeiten bekannt, vor allem solche mit philosophischer Bedeutung. Schliesslich lebte und starb hier der grosse Konfuzius. Aber die zunehmende touristische Entwicklung hat zu einigen originellen Neuigkeiten geführt, die die Unbedenklichkeit demonstrieren, mit der man die Aufhübschung, also die Inszenierung von Natur betreibt. Im Great Rift Valley of the Taishan (泰山地下大裂谷/) lernt unser Co-Autor Dr. Jürgen Kagelmann eine etwas andere unterirdische Attraktion kennen.
Was das bedeutet, lässt sich am besten anhand der Attraktion The Great Rift Valley of the Taishan (泰山地下大裂谷) demonstrieren. Dahinter verbirgt sich eine riesige unterirdische Höhle mit Tausenden von Stalagmiten und Stalagtiten, sowie einem unterirdischen Fluss. Die begehbare Höhle ist Teil eines sehr großen Freizeitresorts, das kontinuierlich ausgebaut werden soll.
Die unterirdische Tropfsteinwelt hat man durch Hunderte von Strahlern optisch “aufbereitet”, durch sehr bunte Strahler, was deutschen Touristen etwas überreichlich und übertrieben vorkommen kann. Chinesen sind davon begeistert. – Geschmäcker sind eben verschieden… erst recht in verschiedenen Kulturen.
The Great Rift Valley of the Taishan: Schussfahrt durch Stalagmiten und Stalaktiten
Der oft kurvig verlaufende unterirdische Fluss, schon für sich eine hochinteressante Sehenswürdigkeit, wurde zu einer Freizeitparkattraktion gemacht, genauer gesagt, die Leute von der Tourismusentwicklungsgesellschaft erinnerten sich daran, dass bei so gut wie allen Besuchern, vor allem Familien, Kindern, Gruppen, Wasser(schuß)fahrten enorm gut ankommen – wovon sich jeder überzeugen kann, der das Oktoberfest in München oder einen der grösseren oder mittleren Themenparks besucht.
Also half der Entwickler des Great Rift Valley of the Taishan, die Taishan Tourism Development Ltd., der Natur ein bißchen nach und baute einen ca. 2 Meter schmalen und ca. 3.000 Meter (!) langen Kanal für den Fluß. Man schaffte zwei Dutzend leistungsfähige, viersitzige Schlauchboote an, und sorgte für eine bequeme Ein- und Aussteigesituation, so wie es bei den “Waterrides” überall auf der Welt üblich ist.
Schließlich wurde noch Personal eingestellt und geschult. Wer jetzt bereit ist, 188 Yuan, umgerechnet 25 Euro, für den Eintritt zu bezahlen, der kann das neue inszenierte Wunder befahren, das im September 2013 eröffnet worden ist – und 1,9 Mrd RMB (Yuan), also umgerechnet etwa eine Viertelmilliarde Euro gekostet haben soll.
Die Fahrt macht Spass, und es kann auch nichts passieren, vorausgesetzt man hält sich während der Fahrt an den Rändern der Boote fest. Deshalb wird darauf geachtet, dass nur Kinder ab 12 Jahren mitfahren. Spass macht es besonders, weil die gesamte Fahrt tatsächlich 20 Minuten dauert – denn das gibt es sonstwo nicht! Wasserfahrten in Freizeitparks dauern meist nur 3 bis 6 Minuten.
Angekommen am Ende der langen Kanalstrecke – und es ist möglich, dass der Kanal später sogar noch erweitert wird – muß man die ganze Strecke der fast anderthalb Kilometer zurückgehen – was aber eine interessante Erfahrung ist, denn die einzelnen Höhlen mit ihren Tropfstein-Säulen sind doch sehr unterschiedlich.
An den Rändern des Höhlenwegs im Great Rift Valley of the Taishan sind immer Hinweistafeln angebracht; es ist allerdings am besten, man geht mit einem einheimischen Führer hier durch, der für die Erklärungen sorgt.
Am Höhlenausgang noch eine Überraschung. Natürlich hat man auch hier aus den von den Amerikanern erfundenen Parkshops gelernt, die meist am Ende eines jeden Rides platziert sind, um die Menschen auch nachdrücklich von der Notwendigkeit eines Souvenirkonsums im Great Rift Valley of the Taishan zu überzeugen. Und natürlich gibt es in diesen Shops allerlei Merchandising unterschiedlicher Qualität, aber hier ist auch erstaunlicherweise eine riesengroße Auswahl an einheimischen und fremdländischen Rot- (und einigen Weiß-) Weinen zu finden – gute Marken und Jahrgänge aus Frankreich, Spanien, Italien, Nordamerika, Australien, sogar Deutschland. Vermutlich die grösste Auswahl, die es in der Provinz überhaupt gibt.
Eine derzeit noch leere Riesenhalle steht für weitere Shops bereit; man verspricht sich für die Zukunft ein großes Geschäft von der unterirdischen Attraktion.
Das alles demonstriert den Willen der Projektentwickler, dass hier in den nächsten Jahren ein großes Freizeitresort auf insgesamt 1.280.000 Quadratmeter aufgebaut werden soll, mit einer Unmenge an Shops. Das nächste Projekt ist eine Art Shopping Gartenmall (“Shi Gandang Kultur Garten: Die Asien-Europa-Waren Shopping Street.”)
Jährlich sollen übrigens angeblich 900.000 Besucher kommen, die das unterirdische Wunder sehen wollen.
Deutsche Touristen könnten es am besten erreichen, wenn sie den obligatorischen Besuch des Tai Shan (Heiliger Berg, 1.545 m) erledigt haben. Der Tai Shan ist einer der fünf heiligen Berge des Taoismus, UNESCO Weltkulturerbe und sehr beliebtes Ausflugsziel. Von der Hafenstadt Qingdao, die häufig von Deutschen besucht wird, ist die Höhle etwa 17 Kilometer entfernt.
(c) Fotos: Dr. Jürgen Kagelmann & Gabriele Wilms