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„Fürchterliche Touristen…“ Oder: Auf Urlaub in Hondurica

by Dr. Jürgen Kagelmann
Fürchterliche Touristen - Hondurica © Disney

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Urlaub in Hondurica: Unser Co-Autor Dr. Jürgen Kagelmann reiste für uns in ein Phantasieland. Cartoons und Comics haben die nicht zu unterschätzende Eigenschaft, kom­pli­zierte Ausführungen in wenigen Textzeilen und einem oder einigen wenigen Bil­dern kondensieren zu können. So entstehen Bilder oder „strips“ – Abfolgen von 3, 4, 5 Bildern – in denen häufig wunderbar der Zeitgeist eingefan­gen ist. Manch­mal sind diese Wort-Bild-Kombi­na­tionen sogar ihrer Zeit etwas voraus, wenn sie Kritik an bestehenden, vom Autor be­obachteten gesellschaft­lichen Zuständen üben.

Zu diesen Künstlern gehört der US-Amerikaner Carl Barks (1901-2000), der das geniale Universum um die – nach wie vor – bekannteste Comic-Ente der Welt ge­schaf­fen hat: die Geschichten von Donald Duck und seinen Ver­wand­ten, Freun­den und Gegenspielern. Immer noch betrachten viele unsensible und unauf­merk­same Menschen die Geschichten und Charaktere von Barks als „Kin­der­kram“, wäh­­­rend sie in Künstler-, Medien-, auch Journalisten-Kreisen und sogar bei Wis­sen­schaftlern schon längst als einzigartig er­kannt worden sind. In Deutschland erlangten sie Kultstatus durch die kongeniale Übersetzung der An­glistin und Kunsthistorikerin Erika Fuchs (1906-2005), deren Werk seit 2015 sogar in einem ihr gewidmeten Museum in Schwarzenbach an der Saale aufbe­wahrt und gepflegt wird (* Erika-Fuchs-Haus Museum für Comic und Sprach­kunst).

Fürchterliche Touristen - Hondurica © Disney

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Hondurica: Das Land der Touristen-Tragödie

So viel zum Hintergrund. Eine der – weniger bekannten – Geschichten von Carl Barks aus dem Jahr 1961 (auf deutsch zuerst 1986 erschienen, 2017 neu her­aus­ge­geben) greift das Thema „Tourismus“ auf, oder prä­ziser gesagt, das Verhalten der Touristen im Ausland. Eigentlich der amerikanischen Tou­ris­ten, denn über andere konnte Barks wenig sagen, verließ er seine Arbeits­stätte in Südka­lifor­nien doch eher selten. Eine eben­so lustige wie sehr deutliche Stel­lung­nahme ist diese Geschichte, in der sozusagen laufend nur der Kopf ge­schüt­telt wird – über das Verhalten von Touristen und ihre to­tale Unsensibilität gegen­­über den aus­län­dischen Kulturen.

Die Geschichte trägt auf Englisch den Titel „TERRIBLE TOURIST“ und heißt in ih­rer deutschen Fas­sung (weniger scharf) „TOURISTEN-TRAGÖDIE“; sie ist ge­ra­de in der „Entenhausen-Edition“ des Egmont-Verlages, der derzeit wich­tig­sten deut­schen chronologischen Sammlung von Barks-Geschichten, neu erschie­nen. (**)

Fürchterliche Touristen - Hondurica © Disney

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In der Comicgeschichte ist der Protagonist Donald Duck ein ziemlich eindeutig als US-amerikanisch zu er­kennender Tourist, der durch ein südliches Land auf der Suche nach Souvenirs reist. Präzise gesagt, ist das sein einziges Interesse – das völlig bedenkenlose unsensible Jagen nach möglichst seltenen oder seltsa­men Souvenirs, mit denen er zu Hause Eindruck schinden will.

Fürchterliche Touristen - Hondurica © Disney

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Hondurica: Etwas Honduras, etwas Mexiko, etwas Lateinamerika plus US-Touristen

Das Land Hondurica, ist ein geographisches Phan­ta­sie­gebilde ***, eine Mischung aus Mexiko und Mittelamerika mit vielen deutlichen Hinweisen auf die für diese geographische Region zur Entstehungszeit der Co­mic­­­story ty­pischen Stereotype: einheimische Men­schen, die zu jeder Zeit Siesta machen und breitrandige Sombreros tragen, glutäugige Senoritas mit extrem eifer­süch­tigen Vätern, aggres­si­ve Po­li­zisten, beladene Esel, bemaltes Tongeschirr und so weiter.

Fürchterliche Touristen - Hondurica © Disney

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Natürlich muss die Geschichte auch einen typischen Comic-Verlauf haben und vi­suelle Gags en masse bieten, das gehört schließlich dazu.

Fürchterliche Touristen - Hondurica © Disney

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Allzuviel wollen wir nicht verraten, aber soviel: Donald bekommt unter anderem Tonkrüge an den Kopf ge­schmis­sen und den Schnabel mit Klebstoff eingerieben, derbe Scherze, wie man derglei­chen aus allen funnies, den lustigen Comic­ge­schichten, kennt und wie sie beson­ders Carl Barks zur Meisterschaft gebracht hat.

Aber darüber hinaus darf man nicht die massive Touristenkritik übersehen, die für diese Zeit der späten 1950­er Jahre nicht alltäglich, ja in den USA ziemlich un­ge­­wöhn­lich war. Und wer ganz ge­nau hinschaut, entdeckt in der Geschichte so­gar eine Kritik an der ameri­ka­ni­schen Inanspruchnahme aus­län­discher Kultur.

Fürchterliche Touristen - Hondurica © Disney

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Der Schluss der Geschichte zeigt zwei Sorten von Touristen – die guten, die Geld ausgeben für Souvenirs, und die bösen, die dafür bestraft werden, wenn sie alles klauen wollen. Ein eindeutige Moral, wie man sich als Tourist (nicht) verhalten sollte!

Fürchterliche Touristen - Hondurica © Disney

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So oder so, eine vergnügliche Geschichte ist das für alle, die Comics lieben oder das Reisen oder sogar beides. Und eine trotz allen Gags etwas nachdenklich machende Story…


Fürchterliche Touristen - Hondurica © Disney

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Anmerkungen:

  • * Erika-Fuchs-Haus Museum für Comic und Sprachkunst, Bahnhofstraße 12, 95126 Schwarzenbach a. d. Saale, Tel: +49 (0) 92 84 / 94 98 120
  • ** Zeichnungen Carl Barks, deutsche Übersetzung Erika Fuchs. Erschienen in S. 35- 44 In: ENTEN­HAUSEN-EDITION Bd. 42, EGMONT-EHAPA-Medien GmbH, Berlin, 54 S., Großformat, € 6,50; © Disney Enterprises
  • *** tourismuswissenschaftlich ein typisches Beispiel für sog. Imaginäre Geo­graphie

Copyright für alle Bilder: © Disney / Carl Barks, für alle Texte: Erika Fuchs; Egmont-Verlag/Disney Enterprises


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